Sarah Živković
Michelle Seidl
Adrian Praschl-Bichler
Laura Pattiss
Ausstellung: Ruth Baumgarte. Africa: Visions of Light and Color, Albertina, Wien vom 8.12.2022-5.3.2023
Bild 1: Ausstellungsansicht Foto Credits: Sarah Živković
Bild 2: Ausstellungsansicht Foto Credits: Sarah Živković
Bild 3: Ausstellungsansicht Foto Credits: Sarah Živković
Bild 4: Ruth Baumgarte, Even the Elephant's Death Will Occur on a Single Day, 1995-1997Öl auf Leinwand © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 5: Ruth Baumgarte, Frühes Selbstbildnis, 1947 Öl auf Hartfaser, © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 6: Ruth Baumgarte, Misunderstanding, 1993, Oil on cardboard, © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 7: Ruth Baumgarte, African Vision, 1998, Oil on canvas © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 8: Ruth Baumgarte, The African Beat I, 2000Aquarell, Kreide und Kohle auf Karton © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 9: Athi-Patha Ruga, Auto Exotic / Auto Erotic, 2022 Ölkreide und Pastell auf Leinwand © What if the World Gallery (Cape Town)
Bild 10: Athi-Patra Ruga, Jakob bereit zum Ringkampf mit einem Engel, 2021, Wolle und Garn auf Stramin Courtesy of Athi-Patra Ruga and What If The World Gallery | © Athi-Patra Ruga
Bild 11: Ruth Baumgarte, Stream of Time, 1995-1997, Öl auf Leinwand © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 12: Ruth Baumgarte, Studie IV, 1997, Kreide auf Papier © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 13: Ruth Baumgarte, Shadows Falling behind your back (Shadows falling behind her back), 1995 Öl auf Karton © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 14: Ruth Baumgarte, The African, 1993, Öl auf Karton © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Bild 15: Ruth Baumgarte, Rückkehr, 1994, Öl auf Leinwand © Privatbesitz Ruth Baumgarte
Bild 16: Ruth Baumgarte, Turn on Fire, 1995-1997, Öl auf Leinwand © Kunststiftung Ruth Baumgarte
Sarah Živković
Die Ausstellung zu Ruth Baumgarte in der Albertina zeigt erstmals ihr künstlerisches Werk in Österreich. Im Fokus steht ihr farbenfroher Afrika Zyklus, der hauptsächlich in den 1980er Jahren entstanden ist. Die überschaubaren Ausstellungsräumlichkeiten der Pfeilerhalle bieten den rund 38 ausgestellten Werken, zusammengesetzt aus Ölgemälden, Aquarellen und Skizzen, bis Anfang März ein Zuhause. Der Titel der Ausstellung “Visions of Light and Color” beschreibt die inhaltliche Darstellung der Werke sehr gut. Denn die Besucher*Innen betreten einen weiß gestrichenen Raum, durchteilt von dicken Pfeilern, in dem die Werke von Ruth Baumgarte in relativ großen Abständen verteilt sind. Der erste Eindruck ist eine reine Impression von planem Weiß durchsetzt mit den Farbakzenten der bunten Werke. Es wird das Gefühl vermittelt, dass die Bilderanzahl zu gering für den Ausstellungsraum ist. Der leere Raum hätte mit beschreibenden Texten zu Werk und Künstlerin gefüllt werden können, doch bis auf die einleitende Beschreibung, eine Kurzbiografie der Künstlerin und zwei kurze Texte zu bestimmten Bildern, fehlt es an Solchen.
Den Besucher*Innen bleibt es weitgehend selbst überlassen, wie die ausgestellten Werke zu interpretieren sind. Ganz im Titel der Ausstellung. Wie im einführenden Text zur Ausstellung betont wird, dienen die Bilder von Ruth Baumgarte nicht dazu, postkoloniale Diskurse zu thematisieren. Trotzdem sollte gerade in der heutigen Zeit dieses Thema nicht außer Acht gelassen werden. Zu betonen, dass die Bilder nicht in diesem Kontext stehen, enthebt das Museum nicht seiner aufklärerischen Pflicht. Besonders in Anbetracht dessen, dass Ruth Baumgarte über 40 Mal nach Afrika gereist ist und das Land sowie dessen Kultur und die damals schon bestehenden politischen Konflikte sehr gut kennen gelernt hat. In ihren früheren Werkzyklen thematisierte Baumgarte häufig politische Themen und traf auch selbst in Interviews die Aussage, sie wolle, dass die BetrachterInnen den Hintergrund ihrer Werke zu ergründen versuchen. Der Ausstellung den politischen oder gesellschaftskritischen Kontext abzusprechen, wäre daher nichtzutreffend. Mögen die Bilder auch nicht postkoloniale Thematiken ansprechen, so sind sie dennoch vor einem gewissen kritischen Hintergrund zu betrachten.
Die Ausstellung lädt die BesucherInnen auf den ersten Blick dazu ein, sich von den bunten und exotischen Darstellungen vereinnahmen zu lassen, um sich auf den zweiten Blick mit den möglichen kritischen Hintergründen auseinanderzusetzen.
Michelle Seidl
Strahlendes Rot, sattes Orange, spielerische Übergänge in Violett- und Blau-Töne. Ruth Baumgartes Ölgemälde, Graphiken und Aquarelle, die derzeit in der Schau Africa: Visions of Light and Color in der Albertina zu sehen sind, setzen einen bunten Kontrast zum grauen Winter in Wien. Gezeigt wird der Afrika-Zyklus der 2013 verstorbenen Künstlerin, die zu Lebzeiten über 40 Mal verschiedene Länder Afrikas bereiste. Neben den Arbeiten Baumgartes zeigt die Ausstellung auch zwei Tapisserien des südafrikanischen Künstlers Athi-Patra Ruga, Preisträger des Ruth Baumgarte Kunstpreises 2022. Die Sujets der Werke der deutschen Künstlerin sind vor allem Menschen: Frauen bei der Arbeit, Kinder in Alltagsszenen, Männer bei der Ernte, Paare, die vergnügt tanzen. Die meisten der gezeigten Arbeiten schuf Baumgarte in den 1990ern.
Die 90er Jahre gelten als der Anfang eines „social turns“ in der Kunst, im Zuge dessen der linksliberal ausgerichtete Kunst- bzw. Akademiebetrieb unter anderem die Diskurse der postcolonial studies in sich aufgesogen hat. Die Relevanz der Kunst in der Gegenwart liegt vor allem in ihrer Fähigkeit, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen; Kunst soll politische und sozial relevante Fragen verhandeln, wobei solche künstlerischen Praktiken in den meisten Fällen politisch wirkungslos bleiben. Post- oder dekoloniale Diskurse dienen heutzutage gerade einem kunstinteressierten Publikum häufig als Selbstpositionierung der Wahl, mittels der die eigene kritische Reflexionsfähigkeit unterstrichen werden kann. Die Albertina geht mit der Werkschau von Ruth Baumgarte zugegebenermaßen mutig einen anderen Weg, denn es findet explizit kein Bezug auf postkoloniale Theorien statt: Bei Betreten der Ausstellung weist der Wandtext darauf hin, dass Themen wie etwa kulturelle Aneignung zur Zeit der Entstehung der Werke noch nicht die Relevanz hatten, die diesen heute beigemessen wird. Das mag insofern stimmen, als dass Fragen wie etwa jene nach kultureller Aneignung heute eindeutig breiter und medienwirksamer diskutiert werden als noch vor dreißig Jahren, dennoch hat dieser Disclaimer etwas Beschwichtigendes an sich. Die Kuratorin der Schau, Angela Stief, die vom Standard als „feministisch, divers und jung“ gelabelt wurde, sieht in Baumgartes Arbeiten keine „Rhetorik der Überlegenheit“. Und tatsächlich dürfen die Gemälde hier gewissermaßen für sich sprechen: Es geht um das Verhältnis von Farbe und Licht, und um die Kraft, die Baumgartes expressionistisch anmutende Gemälde auf die Wahrnehmung ausüben.
Die Sujets fügen sich aus bunten, oft komplementärfarbenen Farbaufträgen zusammen und zerfallen zugleich in diese, die Farbe überbietet hier die Linie, und die Formen lösen sich auf, nur um sich gleich darauf erneut zusammenzusetzen. Die Farbkompositionen schaffen ein scheinbar unauflösbares Spannungsverhältnis: Wissen über und Auseinandersetzung mit dem Kontinent Afrika erscheint hier in ästhetische Formen übersetzt. Kunst drückt, zumindest nach Adorno, gerade durch ihre Autonomie und vermittelt durch ihre Form ihren gesellschaftlichen Gehalt aus. Dennoch: Der Pressetext zur Ausstellung verzettelt sich in Aussagen, die auf ethische Fragen und die mögliche politische Brisanz der Sujets anspielen. Ausgeschmückt ist der Text mit einem Zitat des simbabwischen Dichters Chirikure Chirikure: „Die Länder Afrikas und seine Völker waren für [Ruth Baumgarte] keine Modelle, die es auf der Leinwand festzuhalten galt, sondern ein integraler Bestandteil ihrer Lebensreise.“ Gleichzeitig wird betont, dass Baumgartes Reisen nach Afrika, „wo sie die Menschen aufmerksam beobachtete“, vor allem von einem empathischen Einfühlen geprägt waren. Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob die durch den Ausstellungstext geschaffenen Verbindungen der künstlerischen Arbeiten mit der Biographie Baumgartes und ihrem so immer wieder bezeugten, genuinen und nicht „problematischen“ Interesse am Kontinent nicht auch den Zweck erfüllen sollen, die Ausstellung schließlich doch in einen zeitgemäßen gesellschaftlichen Diskurs einzubetten. Denn im Januar 2023 las man in der FAZ im Gespräch mit Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, „die Albertina soll diverser werden“. [1]
Man kann nur vermuten, dass die Tapisserien von Athi-Patra Ruga auch zum Teil mit diesem Ziel vor Augen inkludiert wurden. Die klare Verbindungslinie zwischen den beiden ist die Tatsache, dass Ruga den Baumgarte-Kunstpreis in 2022 gewonnen hat; dennoch wirken Rugas Tapisserien in der Ausstellung etwas fehl am Platz, denn die Arbeiten der beiden Künstler:innen schaffen es nicht, ästhetisch in einen Dialog zu treten. Vor allem ist Ruga mit den zwei gezeigten Tapisserien stark unterrepräsentiert, denn diese gehen im knalligen Farbenrausch der rund 38 Ölgemälde, Aquarelle, Skizzen von Baumgarte schlichtweg unter. Der fahle Beigeschmack, dass die Inklusion der Tapisserien auch die Funktion haben soll, so die neu postulierten Werte des Hauses, das sich vermehrt um zeitgemäße postkoloniale Diskurse und Diversity bemühen möchte, nach außen zu tragen, bleibt. Erzielt eine Inklusion von POC-Künstler:innen auch dann den gewünschten Effekt von Offenheit und Inclusivity, wenn diese Inklusion allzu unverhältnismäßig wirkt? Zumindest oberflächlich scheint so der allein durch Baumgartes Sujets im Raum stehende Vorwurf einer Reproduktion von Eurozentrismus durch einen a priori kolonialistisch geprägten Blick einer Weißen abgewehrt. Doch lautet das erklärte Ziel, mehr Diversität ins Haus zu bringen, so könnte dieser Versuch auch konsequenter umgesetzt werden. Möchte man eine Werkschau von Ruth Baumgartes Afrika-Zyklus in die Albertina bringen, so hätte man ihre Arbeiten vielleicht auch einfach konsequenter für sich selbst sprechen lassen können. Denn auch ob eine Auseinandersetzung mit abstrakten, akademischen Theorien, die älteren Kunstwerken im zeitgenössischen Diskurs übergestülpt werden, überhaupt einen differenzierten und produktiven Zugang zur Erfahrungsrealität von marginalisierten Personengruppen ermöglicht, bleibt dahingestellt.
Adrian Praschl-Bichler
In der Albertina ist aktuell ein Teil des Oeuvres der deutschen Künstlerin Ruth Baumgarte zu sehen. Sie bereiste Afrika unzählige Male und versuchte das Leben dort in ihren Werken einzufangen. Was mich dabei beschäftigt: Wie stereotyp sind Baumgartes Ansichten von Afrika und den dort lebenden Menschen?
Als ich durch die Ausstellung ging versuchte ich die Bilder, der mir noch unbekannten Künstlerin, sowie deren Inhalte, Stil(e) und deren Verbindungen zur Künstlerin selbst zu verstehen. Für eine Künstlerin, die viele graue Tage in Deutschland gewohnt war, konnte die Landschaft in Afrika, die ganz anderen klimatischen Bedingungen ausgesetzt ist, durchaus einen mächtigen Eindruck hinterlassen haben. Wenig überraschend traf ich in der Ausstellung auf farbenprächtige Bilder, die in seltenen Fällen nur die Landschaft wiedergaben. Diese Bilder hielten mich besonders gefangen. Bei den allermeisten Gemälden aber, bei denen auch Menschen eine Rolle spielten, fragte ich mich, was ich damit anfangen sollte und versuchte herauszufinden, was die konkrete Aussage der Künstlerin ist. Die Titel gaben manchmal dezente Hinweise auf ein Thema, in das man aber durch eine analytische Betrachtung der Arbeiten nicht weiter eintauchen konnte.
Ich musste anders an die Sache herangehen.
Von den Farben ausgehend schlüpfe ich in die Bilder und verbinde mich mit den Protagonist*innen, die aus den Farben heraus entstehen und in ihnen aufgelöst sind. Genauso löse ich mich in ihnen auf, meine Gedanken verschwimmen und mein Geist erfährt einen meditativen Zustand. Die Farben repräsentieren die Natur und das Licht gleichzeitig und die Menschen Afrikas sind Teil davon. Wir sind alle Teil davon, wenn wir wollen und uns darauf einlassen.
Aber halt!
Plötzlich erkannte ich bestimmte Gemeinsamkeiten in den Darstellungen der Protagonist*innen. Die allermeisten Dargestellten waren farblich mit der Landschaft verbunden oder bestanden aus den Farben ihrer Umgebung. Sie alle schienen unaufmerksam oder nach innen vertieft zu sein. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich jedoch in keinem Fall nach außen, in Richtung der Betrachtenden. Die meisten ihrer Handlungen verfolgten kein bestimmtes Ziel. Nicht selten waren sie auch nah am Boden und gleichsam mit diesem verbunden. Irgendwie war mir diese Darstellung und Darbietung Afrikas zu gut bekannt aus schwarz-weiß Fotografien, die auf dem Kontinent angefertigt und regelmäßig in Fotokalendern verarbeitet wurden. Baumgarte erfuhr ihre künstlerische Ausbildung in der NS-Zeit. Es wird aber deutlich, wie sehr sie ihre Bildästhetik von jener des Nationalsozialismus absetzt. Den hoch-konzentrierten, entschlossenen, in Untersicht wiedergegebenen und zum Himmel strebenden nordischen Menschen, die vor Tatendrang strotzten, stellte sie natur- und erdverbundene, nach innen gekehrte und nicht-handlungsgetriebene Schwarzafrikaner gegenüber. Die Arbeiten vermitteln ein positiv stereotypes Bild von Menschen, die noch nicht die Verbindung zur Natur verloren haben. Die westlich-überladene, entfremdete Kultur, aus der heraus Baumgarte künstlerisch tätig war, diente ex negativo als Schablone für ihre Werke. Andererseits entstand dadurch auch ein unrichtiges Bild eines vormodernen Afrikas, das nicht mehr existierte. Der Künstlerin gelang es jedenfalls ihre Werke so zu kreieren, dass diese ein Einfühlen verlangen, um sie zu verstehen und vollumfänglich begreifen zu können. Genau dieses Einfühlen ist auch notwendig, um sich wieder mit der Natur zu verbinden.
Laura Pattiss
Bis zum 5. März 2023 war im Erdgeschoß der Albertina die Schau Africa: Visions of Light and Color zu sehen, die sich um das künstlerische Vermächtnis der 2013 verstorbenen Ruth Baumgarte dreht. Die Malerin bereiste seit den 1950ern weite Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent und machte ihre Eindrücke auf fast expressionistische Weise zum Gegenstand von Skizzen, Aquarellen und Ölgemälden. Sie gründete die Kunststiftung Ruth Baumgarte, die jährlich einen Kunstpreis an gegenständliche Künstler:innen vergibt. Neben Baumgartes Afrika-Zyklus befinden sich in der Ausstellung in der Albertina auch zwei Tapisserie-Arbeiten von Athi-Patra Ruga, dem der Preis 2022 verliehen wurde. Abseits der Dargestellten auf Baumgartes Gemälden bleibt der südafrikanische Künstler allerdings die einzige Repräsentation einer POC in einer Kunstschau, die ein Zeichen für Diversität setzen hätte können.
Kulturelle Aneignung sei zur Kernzeit der Entstehung des Afrika-Zyklus (die meisten gezeigten Arbeiten stammen aus den 1990ern) noch kein Thema wie heute gewesen – so der Wandtext gleich zu Beginn der Ausstellung. Das mag bedingt stimmen, obschon die Geburtsstunde der Postcolonial Studies mit Edward Saids Orientalism bereits 1978 zu verzeichnen ist und diese mit den 90ern massiv an Relevanz gewannen. Als wesentliches Konzept der Postcolonial Studies gilt das Othering – der Westen grenzt sich zur eigenen Identitätsbildung vom Rest der Welt ab („the west and the rest“). Resultat sind verfremdete Darstellungen in den Medien und der Kunst, die ein bestimmtes Bild (bei Said ist es ein Bild des Orients) konstruieren. Nun ist der afrikanische Kontinent nur in Teilen dem sogenannten Orient zuzuordnen, die Problematik ist jedoch übertragbar: Wer kommt im (künstlerischen) Diskurs zu Wort, für wen wird gesprochen und wie? Zweifelsohne sind die Darstellungen Ruth Baumgartes den Menschen darauf wohlgesonnen; mit bunten Farben lässt sie Sehnsuchtsräume entstehen. Ihr genuines Interesse für die lokalen Kulturen, das sie 40 Mal in verschiedene Länder Afrikas reisen ließ und ihre Behutsamkeit bei der Annäherung an dieselben werden in der Ausstellung fortwährend betont. Doch darin liegt auch das Problem: Die Art der Abbildung der Menschen und ihrer Kulturen steht und fällt mit der Gunst einer weißen, westlichen Betrachterin.
Die großformatigen Ölgemälde, die etwa zwei Drittel der Ausstellungsfläche einnehmen, beeindrucken durch ihre Farbgewalt, expressionistischen Duktus und harmonische Kompositionen. Die Themen – oft sind es Frauen bei der Arbeit, soziale Interaktionen und eine übermächtige Natur – sind klassisch, man könnte auch sagen, unspezifisch. Es wird nicht zwischen den besuchten Ländern und den Wurzeln der Eindrücke unterschieden; die Menschen bleiben namenlos. Titel wie der des Werkes Der Afrikaner (1993), das einen in unbestimmte Kleidung gehüllten Mann bei der Bewirtschaftung der Erde zeigt, zeugen von einer ebenso unbestimmten, vagen Vorstellung des Kontinents und seiner Bevölkerung. Auch wenn Baumgarte durch ihre langjährige Beschäftigung vermutlich eine konkretere Vorstellung hatte – ihre Bilder vermitteln ein fernes, fremdes, homogenes Afrika. Die proklamierte Zeitlosigkeit ist auch eine Abwesenheit der Geschichte und der Gegenwart (nach Linda Nochlin), die Afrika als fernab jeder zeitgenössischen Entwicklung konstruiert. Es sind hauptsächlich Tätigkeiten der Primärarbeit dargestellt, keine industriellen Entwicklungen, keine politischen Ereignisse. Die westliche Perspektive wird in den Bildern nicht thematisiert – es ist der (vermeintlich unschuldige) Versuch einer objektiven Vermittlung dessen, was Baumgarte auf ihren Reisen zuteil wurde. Die Wirkung des Lichtes Afrikas auf die Künstlerin wird in den Ausstellungstexten mit der der Provence auf Vincent van Gogh verglichen – es ist klar, dass es sich um eine Ode an das Werk der Künstlerin handelt, nicht um eine an Afrika, die dortigen Kulturen und künstlerische Produktion.
All dies soll Ruth Baumgarte ihre künstlerische Relevanz nicht absprechen: die Bilder sind von hoher malerischer Qualität, die Studien visuell ansprechend – aber sie exotisieren auch in ihrer schönen Unbestimmtheit, wenngleich in der medialen Berichterstattung das Gegenteil vermittelt wurde. In einer Ausstellung, die dem Wunsch nach mehr Diversität in der Albertina Rechnung tragen könnte, wäre mehr Kontextualisierung wünschenswert: mehr afrikanische Künstler:innenpositionen und eine Reflexion auf den postkolonialen Diskurs, anstatt zu reproduzieren, was früher „nicht zur Debatte stand“.
Sarah Živković
Die Ausstellung zu Ruth Baumgarte in der Albertina zeigt erstmals ihr künstlerisches Werk in Österreich. Im Fokus steht ihr farbenfroher Afrika Zyklus, der hauptsächlich in den 1980er Jahren entstanden ist. Die überschaubaren Ausstellungsräumlichkeiten der Pfeilerhalle bieten den rund 38 ausgestellten Werken, zusammengesetzt aus Ölgemälden, Aquarellen und Skizzen, bis Anfang März ein Zuhause. Der Titel der Ausstellung “Visions of Light and Color” beschreibt die inhaltliche Darstellung der Werke sehr gut. Denn die Besucher*Innen betreten einen weiß gestrichenen Raum, durchteilt von dicken Pfeilern, in dem die Werke von Ruth Baumgarte in relativ großen Abständen verteilt sind. Der erste Eindruck ist eine reine Impression von planem Weiß durchsetzt mit den Farbakzenten der bunten Werke. Es wird das Gefühl vermittelt, dass die Bilderanzahl zu gering für den Ausstellungsraum ist. Der leere Raum hätte mit beschreibenden Texten zu Werk und Künstlerin gefüllt werden können, doch bis auf die einleitende Beschreibung, eine Kurzbiografie der Künstlerin und zwei kurze Texte zu bestimmten Bildern, fehlt es an Solchen.
Den Besucher*Innen bleibt es weitgehend selbst überlassen, wie die ausgestellten Werke zu interpretieren sind. Ganz im Titel der Ausstellung. Wie im einführenden Text zur Ausstellung betont wird, dienen die Bilder von Ruth Baumgarte nicht dazu, postkoloniale Diskurse zu thematisieren. Trotzdem sollte gerade in der heutigen Zeit dieses Thema nicht außer Acht gelassen werden. Zu betonen, dass die Bilder nicht in diesem Kontext stehen, enthebt das Museum nicht seiner aufklärerischen Pflicht. Besonders in Anbetracht dessen, dass Ruth Baumgarte über 40 Mal nach Afrika gereist ist und das Land sowie dessen Kultur und die damals schon bestehenden politischen Konflikte sehr gut kennen gelernt hat. In ihren früheren Werkzyklen thematisierte Baumgarte häufig politische Themen und traf auch selbst in Interviews die Aussage, sie wolle, dass die BetrachterInnen den Hintergrund ihrer Werke zu ergründen versuchen. Der Ausstellung den politischen oder gesellschaftskritischen Kontext abzusprechen, wäre daher nichtzutreffend. Mögen die Bilder auch nicht postkoloniale Thematiken ansprechen, so sind sie dennoch vor einem gewissen kritischen Hintergrund zu betrachten.
Die Ausstellung lädt die BesucherInnen auf den ersten Blick dazu ein, sich von den bunten und exotischen Darstellungen vereinnahmen zu lassen, um sich auf den zweiten Blick mit den möglichen kritischen Hintergründen auseinanderzusetzen.
Michelle Seidl
Strahlendes Rot, sattes Orange, spielerische Übergänge in Violett- und Blau-Töne. Ruth Baumgartes Ölgemälde, Graphiken und Aquarelle, die derzeit in der Schau Africa: Visions of Light and Color in der Albertina zu sehen sind, setzen einen bunten Kontrast zum grauen Winter in Wien. Gezeigt wird der Afrika-Zyklus der 2013 verstorbenen Künstlerin, die zu Lebzeiten über 40 Mal verschiedene Länder Afrikas bereiste. Neben den Arbeiten Baumgartes zeigt die Ausstellung auch zwei Tapisserien des südafrikanischen Künstlers Athi-Patra Ruga, Preisträger des Ruth Baumgarte Kunstpreises 2022. Die Sujets der Werke der deutschen Künstlerin sind vor allem Menschen: Frauen bei der Arbeit, Kinder in Alltagsszenen, Männer bei der Ernte, Paare, die vergnügt tanzen. Die meisten der gezeigten Arbeiten schuf Baumgarte in den 1990ern.
Die 90er Jahre gelten als der Anfang eines „social turns“ in der Kunst, im Zuge dessen der linksliberal ausgerichtete Kunst- bzw. Akademiebetrieb unter anderem die Diskurse der postcolonial studies in sich aufgesogen hat. Die Relevanz der Kunst in der Gegenwart liegt vor allem in ihrer Fähigkeit, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen; Kunst soll politische und sozial relevante Fragen verhandeln, wobei solche künstlerischen Praktiken in den meisten Fällen politisch wirkungslos bleiben. Post- oder dekoloniale Diskurse dienen heutzutage gerade einem kunstinteressierten Publikum häufig als Selbstpositionierung der Wahl, mittels der die eigene kritische Reflexionsfähigkeit unterstrichen werden kann. Die Albertina geht mit der Werkschau von Ruth Baumgarte zugegebenermaßen mutig einen anderen Weg, denn es findet explizit kein Bezug auf postkoloniale Theorien statt: Bei Betreten der Ausstellung weist der Wandtext darauf hin, dass Themen wie etwa kulturelle Aneignung zur Zeit der Entstehung der Werke noch nicht die Relevanz hatten, die diesen heute beigemessen wird. Das mag insofern stimmen, als dass Fragen wie etwa jene nach kultureller Aneignung heute eindeutig breiter und medienwirksamer diskutiert werden als noch vor dreißig Jahren, dennoch hat dieser Disclaimer etwas Beschwichtigendes an sich. Die Kuratorin der Schau, Angela Stief, die vom Standard als „feministisch, divers und jung“ gelabelt wurde, sieht in Baumgartes Arbeiten keine „Rhetorik der Überlegenheit“. Und tatsächlich dürfen die Gemälde hier gewissermaßen für sich sprechen: Es geht um das Verhältnis von Farbe und Licht, und um die Kraft, die Baumgartes expressionistisch anmutende Gemälde auf die Wahrnehmung ausüben.
Die Sujets fügen sich aus bunten, oft komplementärfarbenen Farbaufträgen zusammen und zerfallen zugleich in diese, die Farbe überbietet hier die Linie, und die Formen lösen sich auf, nur um sich gleich darauf erneut zusammenzusetzen. Die Farbkompositionen schaffen ein scheinbar unauflösbares Spannungsverhältnis: Wissen über und Auseinandersetzung mit dem Kontinent Afrika erscheint hier in ästhetische Formen übersetzt. Kunst drückt, zumindest nach Adorno, gerade durch ihre Autonomie und vermittelt durch ihre Form ihren gesellschaftlichen Gehalt aus. Dennoch: Der Pressetext zur Ausstellung verzettelt sich in Aussagen, die auf ethische Fragen und die mögliche politische Brisanz der Sujets anspielen. Ausgeschmückt ist der Text mit einem Zitat des simbabwischen Dichters Chirikure Chirikure: „Die Länder Afrikas und seine Völker waren für [Ruth Baumgarte] keine Modelle, die es auf der Leinwand festzuhalten galt, sondern ein integraler Bestandteil ihrer Lebensreise.“ Gleichzeitig wird betont, dass Baumgartes Reisen nach Afrika, „wo sie die Menschen aufmerksam beobachtete“, vor allem von einem empathischen Einfühlen geprägt waren. Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob die durch den Ausstellungstext geschaffenen Verbindungen der künstlerischen Arbeiten mit der Biographie Baumgartes und ihrem so immer wieder bezeugten, genuinen und nicht „problematischen“ Interesse am Kontinent nicht auch den Zweck erfüllen sollen, die Ausstellung schließlich doch in einen zeitgemäßen gesellschaftlichen Diskurs einzubetten. Denn im Januar 2023 las man in der FAZ im Gespräch mit Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, „die Albertina soll diverser werden“. [1]
Man kann nur vermuten, dass die Tapisserien von Athi-Patra Ruga auch zum Teil mit diesem Ziel vor Augen inkludiert wurden. Die klare Verbindungslinie zwischen den beiden ist die Tatsache, dass Ruga den Baumgarte-Kunstpreis in 2022 gewonnen hat; dennoch wirken Rugas Tapisserien in der Ausstellung etwas fehl am Platz, denn die Arbeiten der beiden Künstler:innen schaffen es nicht, ästhetisch in einen Dialog zu treten. Vor allem ist Ruga mit den zwei gezeigten Tapisserien stark unterrepräsentiert, denn diese gehen im knalligen Farbenrausch der rund 38 Ölgemälde, Aquarelle, Skizzen von Baumgarte schlichtweg unter. Der fahle Beigeschmack, dass die Inklusion der Tapisserien auch die Funktion haben soll, so die neu postulierten Werte des Hauses, das sich vermehrt um zeitgemäße postkoloniale Diskurse und Diversity bemühen möchte, nach außen zu tragen, bleibt. Erzielt eine Inklusion von POC-Künstler:innen auch dann den gewünschten Effekt von Offenheit und Inclusivity, wenn diese Inklusion allzu unverhältnismäßig wirkt? Zumindest oberflächlich scheint so der allein durch Baumgartes Sujets im Raum stehende Vorwurf einer Reproduktion von Eurozentrismus durch einen a priori kolonialistisch geprägten Blick einer Weißen abgewehrt. Doch lautet das erklärte Ziel, mehr Diversität ins Haus zu bringen, so könnte dieser Versuch auch konsequenter umgesetzt werden. Möchte man eine Werkschau von Ruth Baumgartes Afrika-Zyklus in die Albertina bringen, so hätte man ihre Arbeiten vielleicht auch einfach konsequenter für sich selbst sprechen lassen können. Denn auch ob eine Auseinandersetzung mit abstrakten, akademischen Theorien, die älteren Kunstwerken im zeitgenössischen Diskurs übergestülpt werden, überhaupt einen differenzierten und produktiven Zugang zur Erfahrungsrealität von marginalisierten Personengruppen ermöglicht, bleibt dahingestellt.
Adrian Praschl-Bichler
In der Albertina ist aktuell ein Teil des Oeuvres der deutschen Künstlerin Ruth Baumgarte zu sehen. Sie bereiste Afrika unzählige Male und versuchte das Leben dort in ihren Werken einzufangen. Was mich dabei beschäftigt: Wie stereotyp sind Baumgartes Ansichten von Afrika und den dort lebenden Menschen?
Als ich durch die Ausstellung ging versuchte ich die Bilder, der mir noch unbekannten Künstlerin, sowie deren Inhalte, Stil(e) und deren Verbindungen zur Künstlerin selbst zu verstehen. Für eine Künstlerin, die viele graue Tage in Deutschland gewohnt war, konnte die Landschaft in Afrika, die ganz anderen klimatischen Bedingungen ausgesetzt ist, durchaus einen mächtigen Eindruck hinterlassen haben. Wenig überraschend traf ich in der Ausstellung auf farbenprächtige Bilder, die in seltenen Fällen nur die Landschaft wiedergaben. Diese Bilder hielten mich besonders gefangen. Bei den allermeisten Gemälden aber, bei denen auch Menschen eine Rolle spielten, fragte ich mich, was ich damit anfangen sollte und versuchte herauszufinden, was die konkrete Aussage der Künstlerin ist. Die Titel gaben manchmal dezente Hinweise auf ein Thema, in das man aber durch eine analytische Betrachtung der Arbeiten nicht weiter eintauchen konnte.
Ich musste anders an die Sache herangehen.
Von den Farben ausgehend schlüpfe ich in die Bilder und verbinde mich mit den Protagonist*innen, die aus den Farben heraus entstehen und in ihnen aufgelöst sind. Genauso löse ich mich in ihnen auf, meine Gedanken verschwimmen und mein Geist erfährt einen meditativen Zustand. Die Farben repräsentieren die Natur und das Licht gleichzeitig und die Menschen Afrikas sind Teil davon. Wir sind alle Teil davon, wenn wir wollen und uns darauf einlassen.
Aber halt!
Plötzlich erkannte ich bestimmte Gemeinsamkeiten in den Darstellungen der Protagonist*innen. Die allermeisten Dargestellten waren farblich mit der Landschaft verbunden oder bestanden aus den Farben ihrer Umgebung. Sie alle schienen unaufmerksam oder nach innen vertieft zu sein. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich jedoch in keinem Fall nach außen, in Richtung der Betrachtenden. Die meisten ihrer Handlungen verfolgten kein bestimmtes Ziel. Nicht selten waren sie auch nah am Boden und gleichsam mit diesem verbunden. Irgendwie war mir diese Darstellung und Darbietung Afrikas zu gut bekannt aus schwarz-weiß Fotografien, die auf dem Kontinent angefertigt und regelmäßig in Fotokalendern verarbeitet wurden. Baumgarte erfuhr ihre künstlerische Ausbildung in der NS-Zeit. Es wird aber deutlich, wie sehr sie ihre Bildästhetik von jener des Nationalsozialismus absetzt. Den hoch-konzentrierten, entschlossenen, in Untersicht wiedergegebenen und zum Himmel strebenden nordischen Menschen, die vor Tatendrang strotzten, stellte sie natur- und erdverbundene, nach innen gekehrte und nicht-handlungsgetriebene Schwarzafrikaner gegenüber. Die Arbeiten vermitteln ein positiv stereotypes Bild von Menschen, die noch nicht die Verbindung zur Natur verloren haben. Die westlich-überladene, entfremdete Kultur, aus der heraus Baumgarte künstlerisch tätig war, diente ex negativo als Schablone für ihre Werke. Andererseits entstand dadurch auch ein unrichtiges Bild eines vormodernen Afrikas, das nicht mehr existierte. Der Künstlerin gelang es jedenfalls ihre Werke so zu kreieren, dass diese ein Einfühlen verlangen, um sie zu verstehen und vollumfänglich begreifen zu können. Genau dieses Einfühlen ist auch notwendig, um sich wieder mit der Natur zu verbinden.
Laura Pattiss
Bis zum 5. März 2023 war im Erdgeschoß der Albertina die Schau Africa: Visions of Light and Color zu sehen, die sich um das künstlerische Vermächtnis der 2013 verstorbenen Ruth Baumgarte dreht. Die Malerin bereiste seit den 1950ern weite Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent und machte ihre Eindrücke auf fast expressionistische Weise zum Gegenstand von Skizzen, Aquarellen und Ölgemälden. Sie gründete die Kunststiftung Ruth Baumgarte, die jährlich einen Kunstpreis an gegenständliche Künstler:innen vergibt. Neben Baumgartes Afrika-Zyklus befinden sich in der Ausstellung in der Albertina auch zwei Tapisserie-Arbeiten von Athi-Patra Ruga, dem der Preis 2022 verliehen wurde. Abseits der Dargestellten auf Baumgartes Gemälden bleibt der südafrikanische Künstler allerdings die einzige Repräsentation einer POC in einer Kunstschau, die ein Zeichen für Diversität setzen hätte können.
Kulturelle Aneignung sei zur Kernzeit der Entstehung des Afrika-Zyklus (die meisten gezeigten Arbeiten stammen aus den 1990ern) noch kein Thema wie heute gewesen – so der Wandtext gleich zu Beginn der Ausstellung. Das mag bedingt stimmen, obschon die Geburtsstunde der Postcolonial Studies mit Edward Saids Orientalism bereits 1978 zu verzeichnen ist und diese mit den 90ern massiv an Relevanz gewannen. Als wesentliches Konzept der Postcolonial Studies gilt das Othering – der Westen grenzt sich zur eigenen Identitätsbildung vom Rest der Welt ab („the west and the rest“). Resultat sind verfremdete Darstellungen in den Medien und der Kunst, die ein bestimmtes Bild (bei Said ist es ein Bild des Orients) konstruieren. Nun ist der afrikanische Kontinent nur in Teilen dem sogenannten Orient zuzuordnen, die Problematik ist jedoch übertragbar: Wer kommt im (künstlerischen) Diskurs zu Wort, für wen wird gesprochen und wie? Zweifelsohne sind die Darstellungen Ruth Baumgartes den Menschen darauf wohlgesonnen; mit bunten Farben lässt sie Sehnsuchtsräume entstehen. Ihr genuines Interesse für die lokalen Kulturen, das sie 40 Mal in verschiedene Länder Afrikas reisen ließ und ihre Behutsamkeit bei der Annäherung an dieselben werden in der Ausstellung fortwährend betont. Doch darin liegt auch das Problem: Die Art der Abbildung der Menschen und ihrer Kulturen steht und fällt mit der Gunst einer weißen, westlichen Betrachterin.
Die großformatigen Ölgemälde, die etwa zwei Drittel der Ausstellungsfläche einnehmen, beeindrucken durch ihre Farbgewalt, expressionistischen Duktus und harmonische Kompositionen. Die Themen – oft sind es Frauen bei der Arbeit, soziale Interaktionen und eine übermächtige Natur – sind klassisch, man könnte auch sagen, unspezifisch. Es wird nicht zwischen den besuchten Ländern und den Wurzeln der Eindrücke unterschieden; die Menschen bleiben namenlos. Titel wie der des Werkes Der Afrikaner (1993), das einen in unbestimmte Kleidung gehüllten Mann bei der Bewirtschaftung der Erde zeigt, zeugen von einer ebenso unbestimmten, vagen Vorstellung des Kontinents und seiner Bevölkerung. Auch wenn Baumgarte durch ihre langjährige Beschäftigung vermutlich eine konkretere Vorstellung hatte – ihre Bilder vermitteln ein fernes, fremdes, homogenes Afrika. Die proklamierte Zeitlosigkeit ist auch eine Abwesenheit der Geschichte und der Gegenwart (nach Linda Nochlin), die Afrika als fernab jeder zeitgenössischen Entwicklung konstruiert. Es sind hauptsächlich Tätigkeiten der Primärarbeit dargestellt, keine industriellen Entwicklungen, keine politischen Ereignisse. Die westliche Perspektive wird in den Bildern nicht thematisiert – es ist der (vermeintlich unschuldige) Versuch einer objektiven Vermittlung dessen, was Baumgarte auf ihren Reisen zuteil wurde. Die Wirkung des Lichtes Afrikas auf die Künstlerin wird in den Ausstellungstexten mit der der Provence auf Vincent van Gogh verglichen – es ist klar, dass es sich um eine Ode an das Werk der Künstlerin handelt, nicht um eine an Afrika, die dortigen Kulturen und künstlerische Produktion.
All dies soll Ruth Baumgarte ihre künstlerische Relevanz nicht absprechen: die Bilder sind von hoher malerischer Qualität, die Studien visuell ansprechend – aber sie exotisieren auch in ihrer schönen Unbestimmtheit, wenngleich in der medialen Berichterstattung das Gegenteil vermittelt wurde. In einer Ausstellung, die dem Wunsch nach mehr Diversität in der Albertina Rechnung tragen könnte, wäre mehr Kontextualisierung wünschenswert: mehr afrikanische Künstler:innenpositionen und eine Reflexion auf den postkolonialen Diskurs, anstatt zu reproduzieren, was früher „nicht zur Debatte stand“.
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