Jonathan Seiffert
Adrian Praschl-Bichler
Teresa Kranawetter
Bild 1: Ausstellungsansicht / exhibition view: mixed up with others before we even begin, Werke von Slavs and Tartars und aus der mumok Sammlung / works by Slavs and Tartars and objects from the mumok collection, Photo: Oliver Ottenschläger / © mumok
Bild 2: Ausstellungsansicht / exhibition view: mixed up with others before we even begin, Werke von Nicolás Lamas und aus den Sammlungen des Naturhistorischen Museum Wien / works by Nicolás Lamas and objects from the collection of the Natural History Museum Vienna, Photo: Oliver Ottenschläger / © mumok
Bild 3: Skelett von Nicolás Lamas, Photo: Adrian Praschl-Bichler
Bild 4: Werk von Louis Goodman, Photo: Adrian Praschl-Bichler
Bild 5: Ausstellungsansicht / exhibition view: mixed up with others before we even begin, Nilbar Güreş, Mayzu, 2022 © the artist, Photo: Oliver Ottenschläger / © mumok
Bild 6: Anleitung zum interaktiven Mitmachen in Nilbar Güreş Werk Mayzu, Photo: Adrian Praschl-Bichler
Bild 7: Werk von Nicolás Lamas, Photo: Adrian Praschl-Bichler
Bild 8: Ausstellungsansicht / exhibition view: mixed up with others before we even begin, Werke von Leilah Babirye und aus aus der mumok Sammlung / works by Leilah Babirye and objects from the collection of the mumok collection, Photo: Oliver Ottenschläger / © mumok
Jonathan Seiffert
Gleich nach Betreten des Ausstellungsraums eröffnet sich den Besuchenden ein bunter Kosmos, der aus einer Vielzahl verschiedenster Kunstwerke besteht. Versucht man nach der anfänglichen Reizüberflutung etwas System in seinen Ausstellungsbesuch zu bringen, bietet sich wie so oft der Blick auf den einführenden Ausstellungstext an. Laut diesem erwarten die Besuchenden Arbeiten, die „(…) unterschiedliche, teils gegensätzliche Elemente miteinander verbinden.“ Dies geschieht nicht nur in den Werken an sich, sondern auch in der Präsentation der Arbeiten, die zuweilen mit Leihgaben aus dem Naturhistorischen Museum Wien und aus dem Bestand der Sammlung des mumoks in den Dialog gesetzt werden. Ziel der Ausstellung ist gemäß dem einführenden Text das Entgegentreten einer von der „westlichen Moderne forcierte[n] (…) Idee der Reinheit“ der Kulturen.
Umgeben wird der Einführungstext von Plastikschildern des Künstlerkollektivs Slavs and Tatars, auf denen kurze Sätze in arabischen, kyrillischen oder lateinischen Buchstaben stehen, die teilweise mit grafischen Elementen versehen sind. Diese fügen den ursprünglichen Texten eine weitere Bedeutungsebene hinzu, etwa wenn auf der Arbeit „Coo Coo 4 Kumis“ Brüste gemalt sind und die Verrücktheit nach der Stutenmilch plötzlich in eine sexuell konnotierte Lesart überschlägt. Oder die Korrektur des Titels von Alexander Griboyedovs Buch „Woe from Wit“ in „Mountains of Wit“. Während es in dem Buch eigentlich darum geht, wie schwer es intelligenten Menschen fällt, mit Dummen zu koexistieren und wie sie unter ihrer Intelligenz leiden müssen, bewirkt die Übermalung eines einzelnen Buchstabens die Umkehrung der Aussage. Um allerdings diese feinen Wortspiele verstehen zu können, ist nicht nur die Kenntnis des literarischen Werks, sondern auch die aller verwendeten Sprachen notwendig. Eine Übersetzung oder weitere Hinweise hielt der Kurator offenbar für überflüssig. So ist die Idee zwar nett und grundsätzlich geeignet für das Konzept der Ausstellung, aber wenig zielführend, wenn es ohne entsprechende Sprachkenntnisse nur eine ästhetische Spielerei bleibt. Ein Öffnen der Kulturen untereinander wird hier nicht ermöglicht.
Besonders gelungen sind die vielfältigen Arbeiten des peruanischen Künstlers Nicolás Lamas. Diese haben zumeist den Charakter von Assemblagen und bestehen aus Alltagsgegenständen, die mit Objekten aus dem NHM kombiniert sind. So ist etwa auf einem Eishockey-Brustpanzer der Panzer eines Gürteltiers platziert, der mit Sand und industriellen Metallteilen gefüllt ist. Daneben hängen Zeichnungen an der Wand, die wie technische Baupläne und zugleich Dokumentationen von Ausgrabungsstätten erscheinen. Am Boden liegt das Skelett eines Menschen, das bei näherem Betrachten nicht nur aus Knochen, sondern auch aus Gegenständen wie Schlüsseln, Pipetten, Angelhaken, Batterien u.v.m. besteht. Bei diesen Arbeiten stehen weniger die verschiedenen Kulturen, als vielmehr das Zusammenspiel von Wissenschaft/Technologie und Natur/Mensch im Vordergrund. Dabei entstehen sowohl lustige als auch androide und dystopische Bilder, die einerseits auf den Umgang mit der Umwelt, aber auch die zunehmende Abhängigkeit von der Technik anspielen.
Den meisten Arbeiten der Ausstellung wohnt eine gewisse Poesie inne. Sie sind nicht immer leicht zugänglich, folgen keinem Narrativ oder einer bestimmten Lesart. Sie bilden vielmehr Ausgangspunkte. Darin liegt einerseits der Reiz, andererseits stellt sich die Frage, ob das postulierte Ziel der Ausstellung auf diesem Wege erreicht werden kann. Abgesehen von (sehr) kurzen Texten über die Künstler*innen gibt es keine weiteren Anhaltspunkte für die Besucher*innen. Das ist bei Ausstellungen mit konzeptuellen Kunstwerken zwar keine Seltenheit, aber macht es deswegen nicht besser. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass man einer Reinheit der Kulturen entgegentreten möchte, hätte ein wenig mehr Vermittlungsarbeit nicht geschadet. Denn so bleibt vieles rätselhaft und erschließt sich nur einem kleinen Kreis von Adressaten. Dem, der sowieso keine Reinheit propagiert.
Adrian Praschl-Bichler
Die Ausstellung im mumok Mixed up with others before we even begin lässt sich mit den Worten des französischen Dichters Comte de Lautréamont beschreiben „beau comme la rencontre fortuite sur une table de dissection d´une machine à coudre et d´un parapluie“ (Übers. d. Verf.: “Schön wie die Zufallsbegegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch”). Der Surrealismus bezog sich auf Lautréamonts Worte und machte Zufallsbegegnungen von Objekten groß. Das Hummertelefon von Salvador Dalí oder der Regenschirm aus Schwamm von Wolfgang Paalen sind besonders bekannt.
Der in der Ausstellung zu sehende Louis Goodman bezieht sich in einer seiner Begegnungen wohl konkret auf einen Surrealisten und erschafft somit noch eine Verknüpfung. Goodman zeigt ein Bügeleisen, dessen Unterseite mit verschiedenen kostbaren Materialien wie Perlen, goldenen Applikationen und einem Kamm in Form eines Adlers einerseits sowie verschiedenen Mustern andererseits geschmückt ist. Das Bügeleisen wird völlig unbrauchbar und zum Kunstwerk erhoben. Der Surrealist Man Ray gestaltete schon 1921 ein Bügeleisen mit Nägeln, das nicht nur unbrauchbar, sondern sogar kontraproduktiv für die eigene Wäsche war, gefährlich erschien und aus heutiger Sicht als feministischer Protest interpretiert werden könnte.
Während Goodman einerseits Begegnungen innerhalb seiner Objekte und andererseits durch Referenzen zwischen diesen Kunstwerken und der Kunstgeschichte forciert, werden die Besucher*innen bei Nilbar Güreş miteinbezogen und können sich im Werk Mayzu zu Transtrees verwandeln. Bei Nicolás Lamas treten Naturobjekte mit technischen/wissenschaftlichen Werkzeugen sowie Dingen in Kontakt und werden zu Kunst. An anderer Stelle werden Alltagsobjekte und kunstgeschichtliche Themen aufgenommen, vermengt und zu etwas Neuem gemacht. Die Ausstellung schafft es allerdings auch das Ausstellungskonzept auf einer Metaebene durchzuziehen. Die Beschreibungen und Titel zu den Ausstellungsobjekten der vorhergehenden Ausstellung sind teilweise auf den verbliebenen Wandteilen aus Plexiglas zu sehen und geben den Werken der neuen Ausstellung eine zusätzliche Bedeutung oder treten mit diesen in Beziehung. Das Display stellt sich also in gewissen Punkten gegen die klassische White Cube-Ausstellung, welche die in den Ausstellungsräumlichkeiten befindliche Kunst von der Außenwelt abschirmen möchte. Die Kunst darf sich hier räumlich und zeitlich entfalten. Dies wird auch in der raum- und stockübergreifenden Verbindung von Objekten und Werken deutlich. Die afrikanischen Skulpturen, selbst Teil unzähliger Verknüpfungen, im dritten Stock des mumok am Anfang der Ausstellung, kommunizieren mit der afrikanischen Skulptur im vierten Stock, die in einem Fechterhelm steckt und ganz hinten zu finden ist. Letztgenannte Plastik ähnelt den Arbeiten von Leilah Babirye aus dem 3. Stock vor allem in der maskenhaften Erscheinung. Mit dem Fechterhelm wird eine zweite Maske hinzugefügt. Dieser kuratorische Kniff der räumlichen Verbindung erinnert an die surrealistische Ausstellung 1938 in Paris, als die Nähmaschine in der Nähe des Einganges zusammen mit dem Regenschirm im hintersten Raum Lautréamont zitierte.
Teresa Kranawetter
Die Ausstellung „mixed up with others before we even begin“ versammelt internationale Künstler*innen, die sich in ihrer künstlerischen Praxis mit der Verknüpfung sowie Verkreuzung materieller, formaler und inhaltlicher Ebenen befassen und lädt diese ein, mit der Sammlung des mumoks und des Naturhistorischen Museums Wien in Interaktion zu treten. Die Künstler*innen entlehnen folglich Objekte aus den Sammlungen und konfrontieren diese Arbeiten mit den anderen. Der Titel der Ausstellung bezieht sich also einerseits auf die Objekte der Künstler*innen selbst, die zum Teil der Praxis der Assemblage zugeordnet werden können, andererseits auf die Vermischung mit den Sammlungsobjekten. Diese Interaktion löst eine kritische Hinterfragung der künstlerischen Praxis der genannten und gezeigten Künstler*innen aus der Sammlung aus. Die Spuren der vergangenen Objekte werden in einen Dialog mit zeitgenössischen Perspektiven gesetzt.
Mit diesen Spuren der Vergangenheit spielt die in Uganda geborene und in New York lebende Künstlerin Leilah Babirye, deren Arbeit in einem kleineren Seitenflügel abseits des Hauptraumes ausgestellt wird. Babirye konzipiert Köpfe aus Keramik oder Holz, die in ihrer Formensprache an traditionelle afrikanische Kultgegenstände angelehnt sind und erweitert diese mit alltäglichen Sammlungsobjekten, wie Fahrradschläuchen oder Schrauben. Diese neu geschaffenen Arbeiten stellt sie im Ausstellungsraum neben sogenannte Schlüsselwerke der europäischen Moderne, deren Formensprache selbst erst aus dem Rückbezug zu entwendeten afrikanischen Sammlungsobjekten entstand. In der Hochzeit des Kolonialismus und dem daraus resultierenden Umlauf gestohlener Kunstwerke, die in ethnologischen Sammlungen oder Privatsammlungen unterkamen, wurde deren kultureller Kontext entzogen und die Formensprache angeeignet. Einen Höhepunkt dieser Aneignung stellt die Ausstellung „Primitivism in 20th Century Art: Affinities of the Tribal and the Modern“ von 1984 dar, in der europäische Objekte mit afrikanischen Objekten in Verbindung gebracht wurden, um auf Ähnlichkeiten hinzuweisen, ohne eine kritische Reflexion des Einflusses zu unternehmen. Genau deshalb finden sich im von der Künstlerin konzeptualisieren Ausstellungsraum Objekte von Picasso, Brancusi, Giacometti und co. neben ihren, die durch ihre Formensprache diese Aneignung reflektieren und durch die gesammelten Alltagsgegenstände in unsere Zeit verortet werden. Babirye formt zusätzlich eine neue Gemeinschaft aus den eigenen und den Sammlungsobjekten, indem sie diese neu betitelt. Die Titelgebung erfolgt in Anlehnung an das Clan-System im Königreich Buganda in Uganda, wobei die Clans nach Totems benannt werden. Die Künstlerin hängt zusätzlich das Wort “kuchu” an die Titel, was ein lugandisches Geheimwort in der queer Community ist. Die Künstlerin selbst musste 2015, nachdem sie öffentlich geoutet wurde, Uganda verlassen. Mit den Titeln imaginiert sie so eine alternative Geschichte, in der queere Personen Teil der Gemeinschaft sind.
Diese Form der Vermischung, die die Spuren der Vergangenheit mit zeitgenössischen Perspektiven verschränkt, macht für mich den Titel der Ausstellung begreifbar. Im Ausstellungsraum selbst findet sich dann aber wenig Wandtext, der diese Verschränkung ausführlich kontextualisiert, wobei gerade bei einer so konzeptuellen Arbeit diese hilfreich wäre. Es wird zwar unter dem mageren Wandtext auf einen QR-Code verwiesen, der die Besuchenden zu einem weiterführenden Text führt, aber die digitale Brücke beschreiten viele nicht. Abschließend lässt sich nur sagen, dass die Arbeit noch mehr Tiefe bereithält, als es die Länge des Wandtextes vermuten lässt, weshalb ich eine Eigenrecherche nur empfehlen möchte.
Jonathan Seiffert
Gleich nach Betreten des Ausstellungsraums eröffnet sich den Besuchenden ein bunter Kosmos, der aus einer Vielzahl verschiedenster Kunstwerke besteht. Versucht man nach der anfänglichen Reizüberflutung etwas System in seinen Ausstellungsbesuch zu bringen, bietet sich wie so oft der Blick auf den einführenden Ausstellungstext an. Laut diesem erwarten die Besuchenden Arbeiten, die „(…) unterschiedliche, teils gegensätzliche Elemente miteinander verbinden.“ Dies geschieht nicht nur in den Werken an sich, sondern auch in der Präsentation der Arbeiten, die zuweilen mit Leihgaben aus dem Naturhistorischen Museum Wien und aus dem Bestand der Sammlung des mumoks in den Dialog gesetzt werden. Ziel der Ausstellung ist gemäß dem einführenden Text das Entgegentreten einer von der „westlichen Moderne forcierte[n] (…) Idee der Reinheit“ der Kulturen.
Umgeben wird der Einführungstext von Plastikschildern des Künstlerkollektivs Slavs and Tatars, auf denen kurze Sätze in arabischen, kyrillischen oder lateinischen Buchstaben stehen, die teilweise mit grafischen Elementen versehen sind. Diese fügen den ursprünglichen Texten eine weitere Bedeutungsebene hinzu, etwa wenn auf der Arbeit „Coo Coo 4 Kumis“ Brüste gemalt sind und die Verrücktheit nach der Stutenmilch plötzlich in eine sexuell konnotierte Lesart überschlägt. Oder die Korrektur des Titels von Alexander Griboyedovs Buch „Woe from Wit“ in „Mountains of Wit“. Während es in dem Buch eigentlich darum geht, wie schwer es intelligenten Menschen fällt, mit Dummen zu koexistieren und wie sie unter ihrer Intelligenz leiden müssen, bewirkt die Übermalung eines einzelnen Buchstabens die Umkehrung der Aussage. Um allerdings diese feinen Wortspiele verstehen zu können, ist nicht nur die Kenntnis des literarischen Werks, sondern auch die aller verwendeten Sprachen notwendig. Eine Übersetzung oder weitere Hinweise hielt der Kurator offenbar für überflüssig. So ist die Idee zwar nett und grundsätzlich geeignet für das Konzept der Ausstellung, aber wenig zielführend, wenn es ohne entsprechende Sprachkenntnisse nur eine ästhetische Spielerei bleibt. Ein Öffnen der Kulturen untereinander wird hier nicht ermöglicht.
Besonders gelungen sind die vielfältigen Arbeiten des peruanischen Künstlers Nicolás Lamas. Diese haben zumeist den Charakter von Assemblagen und bestehen aus Alltagsgegenständen, die mit Objekten aus dem NHM kombiniert sind. So ist etwa auf einem Eishockey-Brustpanzer der Panzer eines Gürteltiers platziert, der mit Sand und industriellen Metallteilen gefüllt ist. Daneben hängen Zeichnungen an der Wand, die wie technische Baupläne und zugleich Dokumentationen von Ausgrabungsstätten erscheinen. Am Boden liegt das Skelett eines Menschen, das bei näherem Betrachten nicht nur aus Knochen, sondern auch aus Gegenständen wie Schlüsseln, Pipetten, Angelhaken, Batterien u.v.m. besteht. Bei diesen Arbeiten stehen weniger die verschiedenen Kulturen, als vielmehr das Zusammenspiel von Wissenschaft/Technologie und Natur/Mensch im Vordergrund. Dabei entstehen sowohl lustige als auch androide und dystopische Bilder, die einerseits auf den Umgang mit der Umwelt, aber auch die zunehmende Abhängigkeit von der Technik anspielen.
Den meisten Arbeiten der Ausstellung wohnt eine gewisse Poesie inne. Sie sind nicht immer leicht zugänglich, folgen keinem Narrativ oder einer bestimmten Lesart. Sie bilden vielmehr Ausgangspunkte. Darin liegt einerseits der Reiz, andererseits stellt sich die Frage, ob das postulierte Ziel der Ausstellung auf diesem Wege erreicht werden kann. Abgesehen von (sehr) kurzen Texten über die Künstler*innen gibt es keine weiteren Anhaltspunkte für die Besucher*innen. Das ist bei Ausstellungen mit konzeptuellen Kunstwerken zwar keine Seltenheit, aber macht es deswegen nicht besser. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass man einer Reinheit der Kulturen entgegentreten möchte, hätte ein wenig mehr Vermittlungsarbeit nicht geschadet. Denn so bleibt vieles rätselhaft und erschließt sich nur einem kleinen Kreis von Adressaten. Dem, der sowieso keine Reinheit propagiert.
Adrian Praschl-Bichler
Die Ausstellung im mumok Mixed up with others before we even begin lässt sich mit den Worten des französischen Dichters Comte de Lautréamont beschreiben „beau comme la rencontre fortuite sur une table de dissection d´une machine à coudre et d´un parapluie“ (Übers. d. Verf.: “Schön wie die Zufallsbegegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch”). Der Surrealismus bezog sich auf Lautréamonts Worte und machte Zufallsbegegnungen von Objekten groß. Das Hummertelefon von Salvador Dalí oder der Regenschirm aus Schwamm von Wolfgang Paalen sind besonders bekannt.
Der in der Ausstellung zu sehende Louis Goodman bezieht sich in einer seiner Begegnungen wohl konkret auf einen Surrealisten und erschafft somit noch eine Verknüpfung. Goodman zeigt ein Bügeleisen, dessen Unterseite mit verschiedenen kostbaren Materialien wie Perlen, goldenen Applikationen und einem Kamm in Form eines Adlers einerseits sowie verschiedenen Mustern andererseits geschmückt ist. Das Bügeleisen wird völlig unbrauchbar und zum Kunstwerk erhoben. Der Surrealist Man Ray gestaltete schon 1921 ein Bügeleisen mit Nägeln, das nicht nur unbrauchbar, sondern sogar kontraproduktiv für die eigene Wäsche war, gefährlich erschien und aus heutiger Sicht als feministischer Protest interpretiert werden könnte.
Während Goodman einerseits Begegnungen innerhalb seiner Objekte und andererseits durch Referenzen zwischen diesen Kunstwerken und der Kunstgeschichte forciert, werden die Besucher*innen bei Nilbar Güreş miteinbezogen und können sich im Werk Mayzu zu Transtrees verwandeln. Bei Nicolás Lamas treten Naturobjekte mit technischen/wissenschaftlichen Werkzeugen sowie Dingen in Kontakt und werden zu Kunst. An anderer Stelle werden Alltagsobjekte und kunstgeschichtliche Themen aufgenommen, vermengt und zu etwas Neuem gemacht. Die Ausstellung schafft es allerdings auch das Ausstellungskonzept auf einer Metaebene durchzuziehen. Die Beschreibungen und Titel zu den Ausstellungsobjekten der vorhergehenden Ausstellung sind teilweise auf den verbliebenen Wandteilen aus Plexiglas zu sehen und geben den Werken der neuen Ausstellung eine zusätzliche Bedeutung oder treten mit diesen in Beziehung. Das Display stellt sich also in gewissen Punkten gegen die klassische White Cube-Ausstellung, welche die in den Ausstellungsräumlichkeiten befindliche Kunst von der Außenwelt abschirmen möchte. Die Kunst darf sich hier räumlich und zeitlich entfalten. Dies wird auch in der raum- und stockübergreifenden Verbindung von Objekten und Werken deutlich. Die afrikanischen Skulpturen, selbst Teil unzähliger Verknüpfungen, im dritten Stock des mumok am Anfang der Ausstellung, kommunizieren mit der afrikanischen Skulptur im vierten Stock, die in einem Fechterhelm steckt und ganz hinten zu finden ist. Letztgenannte Plastik ähnelt den Arbeiten von Leilah Babirye aus dem 3. Stock vor allem in der maskenhaften Erscheinung. Mit dem Fechterhelm wird eine zweite Maske hinzugefügt. Dieser kuratorische Kniff der räumlichen Verbindung erinnert an die surrealistische Ausstellung 1938 in Paris, als die Nähmaschine in der Nähe des Einganges zusammen mit dem Regenschirm im hintersten Raum Lautréamont zitierte.
Teresa Kranawetter
Die Ausstellung „mixed up with others before we even begin“ versammelt internationale Künstler*innen, die sich in ihrer künstlerischen Praxis mit der Verknüpfung sowie Verkreuzung materieller, formaler und inhaltlicher Ebenen befassen und lädt diese ein, mit der Sammlung des mumoks und des Naturhistorischen Museums Wien in Interaktion zu treten. Die Künstler*innen entlehnen folglich Objekte aus den Sammlungen und konfrontieren diese Arbeiten mit den anderen. Der Titel der Ausstellung bezieht sich also einerseits auf die Objekte der Künstler*innen selbst, die zum Teil der Praxis der Assemblage zugeordnet werden können, andererseits auf die Vermischung mit den Sammlungsobjekten. Diese Interaktion löst eine kritische Hinterfragung der künstlerischen Praxis der genannten und gezeigten Künstler*innen aus der Sammlung aus. Die Spuren der vergangenen Objekte werden in einen Dialog mit zeitgenössischen Perspektiven gesetzt.
Mit diesen Spuren der Vergangenheit spielt die in Uganda geborene und in New York lebende Künstlerin Leilah Babirye, deren Arbeit in einem kleineren Seitenflügel abseits des Hauptraumes ausgestellt wird. Babirye konzipiert Köpfe aus Keramik oder Holz, die in ihrer Formensprache an traditionelle afrikanische Kultgegenstände angelehnt sind und erweitert diese mit alltäglichen Sammlungsobjekten, wie Fahrradschläuchen oder Schrauben. Diese neu geschaffenen Arbeiten stellt sie im Ausstellungsraum neben sogenannte Schlüsselwerke der europäischen Moderne, deren Formensprache selbst erst aus dem Rückbezug zu entwendeten afrikanischen Sammlungsobjekten entstand. In der Hochzeit des Kolonialismus und dem daraus resultierenden Umlauf gestohlener Kunstwerke, die in ethnologischen Sammlungen oder Privatsammlungen unterkamen, wurde deren kultureller Kontext entzogen und die Formensprache angeeignet. Einen Höhepunkt dieser Aneignung stellt die Ausstellung „Primitivism in 20th Century Art: Affinities of the Tribal and the Modern“ von 1984 dar, in der europäische Objekte mit afrikanischen Objekten in Verbindung gebracht wurden, um auf Ähnlichkeiten hinzuweisen, ohne eine kritische Reflexion des Einflusses zu unternehmen. Genau deshalb finden sich im von der Künstlerin konzeptualisieren Ausstellungsraum Objekte von Picasso, Brancusi, Giacometti und co. neben ihren, die durch ihre Formensprache diese Aneignung reflektieren und durch die gesammelten Alltagsgegenstände in unsere Zeit verortet werden. Babirye formt zusätzlich eine neue Gemeinschaft aus den eigenen und den Sammlungsobjekten, indem sie diese neu betitelt. Die Titelgebung erfolgt in Anlehnung an das Clan-System im Königreich Buganda in Uganda, wobei die Clans nach Totems benannt werden. Die Künstlerin hängt zusätzlich das Wort “kuchu” an die Titel, was ein lugandisches Geheimwort in der queer Community ist. Die Künstlerin selbst musste 2015, nachdem sie öffentlich geoutet wurde, Uganda verlassen. Mit den Titeln imaginiert sie so eine alternative Geschichte, in der queere Personen Teil der Gemeinschaft sind.
Diese Form der Vermischung, die die Spuren der Vergangenheit mit zeitgenössischen Perspektiven verschränkt, macht für mich den Titel der Ausstellung begreifbar. Im Ausstellungsraum selbst findet sich dann aber wenig Wandtext, der diese Verschränkung ausführlich kontextualisiert, wobei gerade bei einer so konzeptuellen Arbeit diese hilfreich wäre. Es wird zwar unter dem mageren Wandtext auf einen QR-Code verwiesen, der die Besuchenden zu einem weiterführenden Text führt, aber die digitale Brücke beschreiten viele nicht. Abschließend lässt sich nur sagen, dass die Arbeit noch mehr Tiefe bereithält, als es die Länge des Wandtextes vermuten lässt, weshalb ich eine Eigenrecherche nur empfehlen möchte.
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