Viktoria Weber
Josephine Huber
Adrian Praschl-Bichler
Bilder 1-2: Ausstellungsansicht: Laure Prouvost. Ohmmm age Oma je ohomma mama, Kunsthalle Wien 2023, Foto Credits: Iris Ranzinger
Bild 3: Ausstellungsansicht Laure Prouvost. Ohmmm age Oma je ohomma mama: Moving Her [Sie bewegen], 2023, Kunsthalle Wien 2023, Foto Credits: Iris Ranzinger
Bild 4-5: Laure Prouvost, Here Her Heart Hovers, 2023, Videostill, Courtesy die Künstlerin
Bild 6: Ausstellungsansicht Laure Prouvost Ohmmm age Oma je ohomma mama, Kunsthalle Wien 2023, Foto Credits: Viktoria Weber
Viktoria Weber
In den Sommermonaten verbrachte ich ganze Wochen bei meiner Oma in einem kleinen idyllischen Haus im Norden Bayerns mit einem Fischteich, unserer schwarzen Katze Mura und fröhlich hoppelnden Kaninchen. Zum Frühstück gab es jeden Morgen Pfannkuchen, zu Mittag Waldspaziergänge und vor dem Zubettgehen Geschichten. Oma erzählte erfundene Fabeln mit sprechenden Tieren und gewitzten Pointen. Je älter ich wurde, desto wahrer wurden diese Geschichten über ihre Ankunft in Deutschland und das vorherige Leben in einem anderen Land, in einer anderen Zeit, in einem anderen System. Durch Oma lernte ich ihr Leben und auch so meines zu verstehen. Laure Prouvost illustriert in Ohmmmage Oma ja ohomma mama die Poetik, aber auch das wissensvermittelnde Potential dieses transgenerationalen Geschichtenerzählens, wobei die Künstlerin diese Praxis eines oft familiären Kontextes um wahl-verwandtschaftliche Erzähler*innen wie Zuhörer*innen erweitert. Die immersive Installation, bestehend aus Videoarbeiten, Soundinstallationen und hängenden Mobile-Skulpturen, formiert sich zum surrealistischen Gesamtkunstwerk. Durch die Gleichzeitigkeit von individuellen, intimen Erfahrungsberichten und (zeit-)geschichtlichen Referenzen erschafft Prouvost einen Raum der Verbundenheit. So illustrieren die luftigen, hybriden Mobiles, die aus Blumen, Federn, Blättern, Kräutern, aber auch aus Teebeuteln, Feuerzeugen, Netzteilen und Medikamentenpackungen bestehen, die internalisierten Verflechtungen zwischen Mensch und Natur im Anthropozän. Simultan betont das Spiel von Licht und Schatten im düsteren Ausstellungsraum die Ephemerität des Lebens. Die Klanglandschaft des Ausstellungsraums ist von verschlungenem Flüstern und sinnlichen Gesang- und Tonfolgen, die auf verführerische Weise das Publikum vereinnahmen, geprägt.
In der Kombination dieser verschiedenen einzelnen Elemente sowie im audio-visuellen Duktus bedient sich die Künstlerin einer bruchstückhaften, nicht-linearen Narration, die an die Fragmentarität und Antichronologie der eigenen Kindheitserinnerungen zurückdenken lässt. Die Oma, granny, mamie und бабушка wird genauso wie die Besucherin zur Zeitzeugin, deren Erinnerungen sich mit den diversen Erzählungen verflechten. Durch das Einnehmen einer teils kindlichen Perspektive verweist die Künstlerin auf die pure Absurdität des Lebens im 21. Jahrhundert bezüglich seiner Komplexität wie moralischen Unaufrichtigkeit, aber auch auf die großen Probleme des Klimawandels oder der sich weitenden Schlucht zwischen vereinsamenden Generationen. Die Installation, reich an Symbolen und Referenzen, situiert sich als feministisches Gegenmodell zu einer hegemonial kanonisierten Geschichtsschreibung und wird Zeugnis der Poetik und Wirkmächtigkeit, welche oral history in dieser Gesellschaft haben könnte. Denn Geschichten werden nicht nur geschrieben, sondern eben auch erzählt – am wärmenden Lagerfeuer, bei heiteren Küchengesprächen oder eben vor dem zu Bett gehen. Oma, wie war das damals?
Josephine Huber
Die Ausstellung ist als Reise gedacht, worauf ein Schild am Eingang aufmerksam macht. Es empfiehlt sich für die Reise etwa 45 Minuten Zeit zu nehmen. Dieser Hinweis ist sehr gut, denn dadurch entschleunigt man gleich das Tempo, das man als gewohnte*r Ausstellungsbesucher*in drauf hat. Die Ausstellung, die als Blackbox zur immersiven Installation wird, fordert eine ungewohnte Art der Wahrnehmung. In diesem dunklen Raum sind drei Stationen verteilt, die anhand von halbkugelförmigen Nischen markiert sind. Dabei ist nicht gleich ersichtlich, an welcher Station die Reise nun beginnt. Zwischen den drei Stationen hängen Mobiles als kinetische Skulpturen von der Decke. An ihnen befestigt sind surrealistische Objekte, Alltagsgegenstände, die die Künstlerin zu Hybriden zusammengesetzt hat. Vor allem die synchronisierte Licht- und Soundinstallation lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher*innen. Das Spotlight wird auf bestimmte Punkte oder Objekte gerichtet und durch den Ton einer Geschichte zum Leben erweckt. Diese im Mittelpunkt des Raumes angebrachte technische Installation greift immer wieder das Geschehen in den einzelnen Stationen auf, schafft so einen audiovisuellen Bezugsrahmen und löst die Linearität der Reise auf.
Laure Prouvost beleuchtet unser Leben in einer globalisierten Welt. Das lässt sich mit dem Begriff Hybridkultur beschreiben, der einerseits auf die Transkulturalität und andererseits auf die Technologie in unserer Zeit bezogen werden kann. “Hybridität” ist im transkulturellen Kontext ein wichtiger Begriff, der nach Homi K. Bhaba beschreibt, wie durch globale Migration ehemals als getrennt gedachte Kulturen zusammenkommen. In diesen Zwischenräumen entstünden laut Bhaba transkulturelle Identitäten. Worin das Potenzial zur Auflösung der durch den europäisch-amerikanischen Imperialismus hervorgerufenen Oppositionen von Kolonialmacht und Kolonialisierten – Zentrum und Peripherie liege. Aber in diesen Zwischenräumen würden Menschen mit Migrationsgeschichte auch weiterhin mit gespaltenen Identitäten aufwachsen und müssten immer wieder einen interkulturellen Übersetzungsprozess durchlaufen. Dies wird in der filmischen Arbeit Here Her Heart Hovers (2023) deutlich. Wir begleiten eine Gruppe von Frauen, die sich über persönliche Anekdoten und Geschichten ihrer Großmütter austauschen. Durch das Nebeneinanderstellen der persönlichen Bezüge zur eigenen Großmutter treten auch die Weitergabe von Migrationsgeschichte und Unterschiede in Verwandtschaftskonzeptionen hervor. In der Ausstellung spielt also Erzählen eine wichtige Rolle. Es wird gezeigt, wie durch die mündliche Form (neben „rationalen“, wissenschaftlichen Formen) die Überlieferung von Geschichte und Kultur stattfinden kann und identitätsstiftend wirkt.
Yvonne Spielmann verwendete den Begriff Hybridkultur für ein weiteres Phänomen der Globalisierung. Wir leben in einer immer stärker von Technologie und Digitalisierung durchdrungenen Welt und gleichzeitig gewinnen – (gerade) in der Kunst – analoge und organische Materialien, aber auch Momente des mystischen und magischen (wie bei der letzten Biennale in Venedig) an Bedeutung. Damit werden dem rationalen Paradigma des aufgeklärten Westens andere Weltsichten entgegengesetzt. Auch in Prouvost Installation trifft high-tech, das detailliert abgestimmte Zusammenspiel von Sound, Licht und Video, auf die alltäglichen Objekte der skulpturalen Arbeiten. Oder auch in der Sequenz, in der die Frauen wie in archaischen Zeiten in einer Höhle versammelt sitzen, doch das Lagerfeuer wird von den Lampen ihrer Smartphones erzeugt. Die skulpturalen Mobile mit den zusammengesetzten Objekten bringen diese Hybridität zum Ausdruck und weisen in ihrer Struktur auch auf die unsere Welt umspannende Netzstruktur, die die Grundlage der Globalisierung bildet, hin.
Adrian Praschl-Bichler
Die erste große Einzelausstellung der französischen Künstlerin Laure Prouvost in Österreich Ohmmm age Oma je ohomma mama verrät schon durch ihren Titel so einiges über das Ausstellungsprogramm. Ausgesprochen bilden die ersten zwei Wörter eine Hommage an die ebenfalls im Titel enthaltenen und für die Ausstellung zentralen Omas. Das Wort Ohmmm lässt an ein meditatives Mantra denken, das zur Stimmung und den Soundklängen im Ausstellungsraum passt. Das bedeutungsoffene englische Wort „age“ verweist zudem auf die mit dem Alter verbundene Erfahrung, aber auch auf die weiteren Bedeutungen des Wortes „Zeitalter“, „Zeit“ oder „Lebensdauer“. Das „je“ (französisch für „ich“) verdeutlicht eine der Botschaften, die die Ausstellung vermitteln möchte. Nachdem die Geschichten der Omas und anderer Vordenkerinnen im für die Ausstellung zentralen Film Here her heart hovers (2023) von jungen Frauen erzählt werden, sollen die Betrachter*innen dazu angeregt werden, darüber nachzudenken, was sie wohl selbst hinterlassen werden. Welche Geschichten werden über sie einmal erzählt?
Darüber können die Besucher*innen in einer Art Höhle im Ausstellungsraum, die das Gegenstück zur filmischen Höhle, in der die jungen Frauen vor einer Art Lagerfeuer aus zusammengelegten Handytaschenlampen sitzen, grübeln. Neben der Höhle nimmt auch das Lagerfeuer im Ausstellungsraum aus gefundenen Naturobjekten Bezug auf den Film. Prouvost spricht in einem Video zur Ausstellungskonzeption auch über einen „large body or breast you come in“. Der zur Schau gestellte, von Fischen umschwommene, skulpturale Nippel könnte die angesprochene Brust sein und die Höhle als der „large body“ verstanden werden, welcher wiederum mit der warmen Umgebung der Großeltern und der Vordenkerinnen gleichgesetzt werden kann.
Eine Nachbildung der Venus von Willendorf ist nahe dem Lagerfeuer des Ausstellungsraumes zu finden und somit nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich zentral für die Ausstellung. Die Venus von Willendorf steht an der Seite vieler Skulpturen ihres Typs, die in ganz Europa von Archäolog*innen entdeckt wurden. Prouvost zieht in ihrer Ausstellung geschickt eine Parallele von den vielen Venusdarstellungen zu den Vordenkerinnen unserer und vergangener Zeiten, welche auch nach und nach durch die Öffnung der Wissenschaft und feministische Diskurse ‚(wieder)entdeckt‘ werden. Zudem wird die Venus von Willendorf heutzutage eher als Großmutter-Figur gedeutet und löste sich somit von den platten Zuschreibungen einer Fruchbarkeits-Ikone oder eines Sex-Symbols, wodurch ebenfalls der Ausstellungsgegenstand unterstrichen wird. Außerdem greift Prouvost durch die Verwendung der Venus von Willendorf ein für den Ausstellungsort Wien spezifisches Element auf.
Leider hatte ich selbst nicht mehr die Möglichkeit, die als immersive, ganzheitliche Erfahrung angelegte Ausstellung, die fast alle Sinnesmodalitäten miteinbezog, vor Ort zu erleben. Die Entwicklung in Richtung immersiver Ausstellungen, die ich zuletzt beobachten konnte, stimmt mich aber positiv, dass zeitgenössische Kunst greifbar und attraktiv für junges, erlebnishungriges Publikum bleibt.
Viktoria Weber
In den Sommermonaten verbrachte ich ganze Wochen bei meiner Oma in einem kleinen idyllischen Haus im Norden Bayerns mit einem Fischteich, unserer schwarzen Katze Mura und fröhlich hoppelnden Kaninchen. Zum Frühstück gab es jeden Morgen Pfannkuchen, zu Mittag Waldspaziergänge und vor dem Zubettgehen Geschichten. Oma erzählte erfundene Fabeln mit sprechenden Tieren und gewitzten Pointen. Je älter ich wurde, desto wahrer wurden diese Geschichten über ihre Ankunft in Deutschland und das vorherige Leben in einem anderen Land, in einer anderen Zeit, in einem anderen System. Durch Oma lernte ich ihr Leben und auch so meines zu verstehen. Laure Prouvost illustriert in Ohmmmage Oma ja ohomma mama die Poetik, aber auch das wissensvermittelnde Potential dieses transgenerationalen Geschichtenerzählens, wobei die Künstlerin diese Praxis eines oft familiären Kontextes um wahl-verwandtschaftliche Erzähler*innen wie Zuhörer*innen erweitert. Die immersive Installation, bestehend aus Videoarbeiten, Soundinstallationen und hängenden Mobile-Skulpturen, formiert sich zum surrealistischen Gesamtkunstwerk. Durch die Gleichzeitigkeit von individuellen, intimen Erfahrungsberichten und (zeit-)geschichtlichen Referenzen erschafft Prouvost einen Raum der Verbundenheit. So illustrieren die luftigen, hybriden Mobiles, die aus Blumen, Federn, Blättern, Kräutern, aber auch aus Teebeuteln, Feuerzeugen, Netzteilen und Medikamentenpackungen bestehen, die internalisierten Verflechtungen zwischen Mensch und Natur im Anthropozän. Simultan betont das Spiel von Licht und Schatten im düsteren Ausstellungsraum die Ephemerität des Lebens. Die Klanglandschaft des Ausstellungsraums ist von verschlungenem Flüstern und sinnlichen Gesang- und Tonfolgen, die auf verführerische Weise das Publikum vereinnahmen, geprägt.
In der Kombination dieser verschiedenen einzelnen Elemente sowie im audio-visuellen Duktus bedient sich die Künstlerin einer bruchstückhaften, nicht-linearen Narration, die an die Fragmentarität und Antichronologie der eigenen Kindheitserinnerungen zurückdenken lässt. Die Oma, granny, mamie und бабушка wird genauso wie die Besucherin zur Zeitzeugin, deren Erinnerungen sich mit den diversen Erzählungen verflechten. Durch das Einnehmen einer teils kindlichen Perspektive verweist die Künstlerin auf die pure Absurdität des Lebens im 21. Jahrhundert bezüglich seiner Komplexität wie moralischen Unaufrichtigkeit, aber auch auf die großen Probleme des Klimawandels oder der sich weitenden Schlucht zwischen vereinsamenden Generationen. Die Installation, reich an Symbolen und Referenzen, situiert sich als feministisches Gegenmodell zu einer hegemonial kanonisierten Geschichtsschreibung und wird Zeugnis der Poetik und Wirkmächtigkeit, welche oral history in dieser Gesellschaft haben könnte. Denn Geschichten werden nicht nur geschrieben, sondern eben auch erzählt – am wärmenden Lagerfeuer, bei heiteren Küchengesprächen oder eben vor dem zu Bett gehen. Oma, wie war das damals?
Josephine Huber
Die Ausstellung ist als Reise gedacht, worauf ein Schild am Eingang aufmerksam macht. Es empfiehlt sich für die Reise etwa 45 Minuten Zeit zu nehmen. Dieser Hinweis ist sehr gut, denn dadurch entschleunigt man gleich das Tempo, das man als gewohnte*r Ausstellungsbesucher*in drauf hat. Die Ausstellung, die als Blackbox zur immersiven Installation wird, fordert eine ungewohnte Art der Wahrnehmung. In diesem dunklen Raum sind drei Stationen verteilt, die anhand von halbkugelförmigen Nischen markiert sind. Dabei ist nicht gleich ersichtlich, an welcher Station die Reise nun beginnt. Zwischen den drei Stationen hängen Mobiles als kinetische Skulpturen von der Decke. An ihnen befestigt sind surrealistische Objekte, Alltagsgegenstände, die die Künstlerin zu Hybriden zusammengesetzt hat. Vor allem die synchronisierte Licht- und Soundinstallation lenkt die Aufmerksamkeit der Besucher*innen. Das Spotlight wird auf bestimmte Punkte oder Objekte gerichtet und durch den Ton einer Geschichte zum Leben erweckt. Diese im Mittelpunkt des Raumes angebrachte technische Installation greift immer wieder das Geschehen in den einzelnen Stationen auf, schafft so einen audiovisuellen Bezugsrahmen und löst die Linearität der Reise auf.
Laure Prouvost beleuchtet unser Leben in einer globalisierten Welt. Das lässt sich mit dem Begriff Hybridkultur beschreiben, der einerseits auf die Transkulturalität und andererseits auf die Technologie in unserer Zeit bezogen werden kann. “Hybridität” ist im transkulturellen Kontext ein wichtiger Begriff, der nach Homi K. Bhaba beschreibt, wie durch globale Migration ehemals als getrennt gedachte Kulturen zusammenkommen. In diesen Zwischenräumen entstünden laut Bhaba transkulturelle Identitäten. Worin das Potenzial zur Auflösung der durch den europäisch-amerikanischen Imperialismus hervorgerufenen Oppositionen von Kolonialmacht und Kolonialisierten – Zentrum und Peripherie liege. Aber in diesen Zwischenräumen würden Menschen mit Migrationsgeschichte auch weiterhin mit gespaltenen Identitäten aufwachsen und müssten immer wieder einen interkulturellen Übersetzungsprozess durchlaufen. Dies wird in der filmischen Arbeit Here Her Heart Hovers (2023) deutlich. Wir begleiten eine Gruppe von Frauen, die sich über persönliche Anekdoten und Geschichten ihrer Großmütter austauschen. Durch das Nebeneinanderstellen der persönlichen Bezüge zur eigenen Großmutter treten auch die Weitergabe von Migrationsgeschichte und Unterschiede in Verwandtschaftskonzeptionen hervor. In der Ausstellung spielt also Erzählen eine wichtige Rolle. Es wird gezeigt, wie durch die mündliche Form (neben „rationalen“, wissenschaftlichen Formen) die Überlieferung von Geschichte und Kultur stattfinden kann und identitätsstiftend wirkt.
Yvonne Spielmann verwendete den Begriff Hybridkultur für ein weiteres Phänomen der Globalisierung. Wir leben in einer immer stärker von Technologie und Digitalisierung durchdrungenen Welt und gleichzeitig gewinnen – (gerade) in der Kunst – analoge und organische Materialien, aber auch Momente des mystischen und magischen (wie bei der letzten Biennale in Venedig) an Bedeutung. Damit werden dem rationalen Paradigma des aufgeklärten Westens andere Weltsichten entgegengesetzt. Auch in Prouvost Installation trifft high-tech, das detailliert abgestimmte Zusammenspiel von Sound, Licht und Video, auf die alltäglichen Objekte der skulpturalen Arbeiten. Oder auch in der Sequenz, in der die Frauen wie in archaischen Zeiten in einer Höhle versammelt sitzen, doch das Lagerfeuer wird von den Lampen ihrer Smartphones erzeugt. Die skulpturalen Mobile mit den zusammengesetzten Objekten bringen diese Hybridität zum Ausdruck und weisen in ihrer Struktur auch auf die unsere Welt umspannende Netzstruktur, die die Grundlage der Globalisierung bildet, hin.
Adrian Praschl-Bichler
Die erste große Einzelausstellung der französischen Künstlerin Laure Prouvost in Österreich Ohmmm age Oma je ohomma mama verrät schon durch ihren Titel so einiges über das Ausstellungsprogramm. Ausgesprochen bilden die ersten zwei Wörter eine Hommage an die ebenfalls im Titel enthaltenen und für die Ausstellung zentralen Omas. Das Wort Ohmmm lässt an ein meditatives Mantra denken, das zur Stimmung und den Soundklängen im Ausstellungsraum passt. Das bedeutungsoffene englische Wort „age“ verweist zudem auf die mit dem Alter verbundene Erfahrung, aber auch auf die weiteren Bedeutungen des Wortes „Zeitalter“, „Zeit“ oder „Lebensdauer“. Das „je“ (französisch für „ich“) verdeutlicht eine der Botschaften, die die Ausstellung vermitteln möchte. Nachdem die Geschichten der Omas und anderer Vordenkerinnen im für die Ausstellung zentralen Film Here her heart hovers (2023) von jungen Frauen erzählt werden, sollen die Betrachter*innen dazu angeregt werden, darüber nachzudenken, was sie wohl selbst hinterlassen werden. Welche Geschichten werden über sie einmal erzählt?
Darüber können die Besucher*innen in einer Art Höhle im Ausstellungsraum, die das Gegenstück zur filmischen Höhle, in der die jungen Frauen vor einer Art Lagerfeuer aus zusammengelegten Handytaschenlampen sitzen, grübeln. Neben der Höhle nimmt auch das Lagerfeuer im Ausstellungsraum aus gefundenen Naturobjekten Bezug auf den Film. Prouvost spricht in einem Video zur Ausstellungskonzeption auch über einen „large body or breast you come in“. Der zur Schau gestellte, von Fischen umschwommene, skulpturale Nippel könnte die angesprochene Brust sein und die Höhle als der „large body“ verstanden werden, welcher wiederum mit der warmen Umgebung der Großeltern und der Vordenkerinnen gleichgesetzt werden kann.
Eine Nachbildung der Venus von Willendorf ist nahe dem Lagerfeuer des Ausstellungsraumes zu finden und somit nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich zentral für die Ausstellung. Die Venus von Willendorf steht an der Seite vieler Skulpturen ihres Typs, die in ganz Europa von Archäolog*innen entdeckt wurden. Prouvost zieht in ihrer Ausstellung geschickt eine Parallele von den vielen Venusdarstellungen zu den Vordenkerinnen unserer und vergangener Zeiten, welche auch nach und nach durch die Öffnung der Wissenschaft und feministische Diskurse ‚(wieder)entdeckt‘ werden. Zudem wird die Venus von Willendorf heutzutage eher als Großmutter-Figur gedeutet und löste sich somit von den platten Zuschreibungen einer Fruchbarkeits-Ikone oder eines Sex-Symbols, wodurch ebenfalls der Ausstellungsgegenstand unterstrichen wird. Außerdem greift Prouvost durch die Verwendung der Venus von Willendorf ein für den Ausstellungsort Wien spezifisches Element auf.
Leider hatte ich selbst nicht mehr die Möglichkeit, die als immersive, ganzheitliche Erfahrung angelegte Ausstellung, die fast alle Sinnesmodalitäten miteinbezog, vor Ort zu erleben. Die Entwicklung in Richtung immersiver Ausstellungen, die ich zuletzt beobachten konnte, stimmt mich aber positiv, dass zeitgenössische Kunst greifbar und attraktiv für junges, erlebnishungriges Publikum bleibt.
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