Adrian Praschl-Bichler

Marlene Lahmer

Laura Stöckler

Eva Lechner

Klima Biennale

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Bild 1: Nordwestbahnhof Festivalareal, Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 2: Ausstellungsansicht Biofabrique Vienna, Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 3: Circular Shower - EOOS (Design with a Purpose), Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 4: Ausstellungsansicht Songs for the Changing Seasons, Vordergrund: Exudates - Eva Fabregas, Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 5: Salmon Feed Chains - Cooking Sections (Songs for the Changing Seasons), Courtesy of the Artists

Bild 6: they come to us without a word II - Joan Jonas (Songs for the Changing Seasons), Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 7: Balada de las sirenas secas - Patricia Dominguez (Songs for the Changing Seasons), Courtesy of the Artist

Bild 8: The City of Birds - Studio Ossidiana (Songs for the Changing Seasons), Ⓒ eSeL.at Joanna Pianka

Bild 9: To Burn, Forest, Fire - Katie Paterson (Into The Woods), Courtesy of the Artist

Bild 10: the path is never the same - Oliver Ressler (Into The Woods), Ⓒ Eva Lechner

Bild 11: Tierra firme II - Abel Rodriguez (Into The Woods), Ⓒ Eva Lechner

Bild 12: Electric Shadows - Hana Usui (@ Immediate Matters), Courtesy of the Artist and Marcello Farabegoli Projects

Bild 13: Allmende - Marie Vermont (Unter und unter uns), Ⓒ Marlene Lahmer

Bild 14: Was kann Klimakunst? (Unter und unter uns), Ⓒ Marlene Lahmer

Adrian Praschl-Bichler

Wien veranstaltet dieses Jahr zum ersten Mal die Klima Biennale. Schon vor meinem Besuch am Nordwestbahnhof, dem Hauptareal der Veranstaltung, konnte ich im Foto-Arsenal einen Teil des weit über Wien verteilten und vielseitigen Programms der Klima Biennale kennenlernen. Ausstellungen, Workshops oder Vorträge sollen den Menschen das Thema Klimawandel näherbringen. Dabei verwies die Vermittlerin des Rundgangs am Festivalgelände auf den breiteren Zugang, den die Biennale einnehmen möchte: Es soll nicht nur der ökologische Aspekt diskutiert, sondern auch die sozialpolitische Komponente mitgedacht werden. In den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wird deutlich, dass es für eine lebenswerte Zukunft aller Menschen neben einem intakten Klima, unter anderem auch eine saubere Umwelt, Geschlechtergleichheit, weniger soziale Ungleichheiten und Frieden braucht. Aufgrund der Dringlichkeit der „Klimakrise“ (ein Begriff, dessen Alarmismus berechtigt ist, der aber aufgrund seiner häufigen Verwendung und des geringen politischen Handelns seine Wirkkraft fast verloren hat) kann die Klima Biennale ein wichtiges Zeichen setzen, indem die Alternativlosigkeit von Klimaschutz aus künstlerischer Perspektive aufgezeigt und Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geschaffen wird.

Angekommen am „Festivalareal“ des Nordwestbahnhofs vermisse ich die Festivalstimmung. In meiner Vorstellung reihte sich wie auf einem Christkindlmarkt eine Holzhütte an die nächste, nur dass diese zum Thema Klima informieren und dieses spielerisch und nicht durch komplexe Infografiken zugänglich machten. Ich erwartete einen Ort, der zum Experimentieren, Austauschen, Verweilen und, so ernst das Thema auch ist, zum Lachen einlädt und an dem viele Familien und Kinder Zeit verbringen. Angetroffen habe ich ein menschenleeres Areal, das durch einige gerettete und hier frisch eingepflanzte Bäume durchbrochen wurde. Ansonsten lud der Platz im Freien nicht zum Verweilen ein. Die zu Beginn der Klima-Biennale auf Fotos ersichtlichen metallenen Stühle mit kleinen Tischen waren zum Zeitpunkt meines Besuches nicht mehr vor Ort. Vielleicht verunmöglichte der Wind auf diesem recht offenen Areal das Aufstellen dieser Sitzgelegenheiten. Eine andere Möglichkeit, um die Leute im Freien zum Verweilen einzuladen wurde leider nicht gefunden. Erst in der Haupthalle kamen die ersten Besucher*innen zusammen. Dort konnten diese auch in einem Café sitzen und verweilen und an der Kassa ihr Ticket kaufen. Dem sozial-ökologischen Ansatz entsprechend konnte man den Preis des Festivalpasses nach eigenem Ermessen wählen. Dadurch werden wirklich alle zur Teilnahme eingeladen und keine gesellschaftliche Schicht ausgeschlossen. Diesem Anspruch der Zugänglichkeit der Klima Biennale entspricht auch das örtlich weit verstreute Programm, aber auch die inhaltlich übersichtliche und ästhetisch ansprechende Website, die wie das übrige Branding den Farben von Klimakarten nachempfunden wurde. Doch wie zugänglich war das Programm selbst?

Das Festivalareal am Nordwestbahnhof bot unter anderem die Kunstausstellung Songs for the changing Seasons, eine Designabteilung sowie die Vorstellung des Projekts Biofabrique Vienna. Letzteres ist aufgrund seines Ansatzes spannend. Kurz: Material soll lokal verwendet werden, Ideen sollen weit reisen – doch die Präsentation, die sichtlich auf den kollaborativen Prozesscharakter des Projekts verweist, ist wenig ansprechend. Die Materialien auf einem Metallgerüst mit den direkt darunter angebrachten Schildern erinnern an die Präsentation von Produkten in einem Baumarkt. Die Design-Abteilung wollte „Zusammenhänge neu denken“ und „Geschichten erzählen“. Einige Initiativen und Kunstwerke waren dabei sehr anschaulich und vermittelten einen Impuls, selbst im Kleinen erfinderisch zu werden. Allen voran ist hier die Circular Shower von EOOS - eine Gartendusche, die das Duschabwasser durch die angebrachten Pflanzen reinigt und wiederverwendbar macht - zu nennen. Wie das Abwasser allerdings wieder zu den Pflanzen aufsteigt, wurde mir und meinen Begleiterinnen weder durch die Führung noch durch den angebrachten Text klar. Ähnlich erging es mir in der Kunstausstellung Songs for the Changing Seasons. Einige Aspekte und Werke erschienen intuitiv verständlich, andere erschlossen sich mir nur schwer. Die Installation Salmon: Feed Chains aus 2022 von Cooking Sections ist eine der leicht zugänglichen Arbeiten. Wollen die Besucher*innen die Sound-Installation vollumfänglich erfahren, so müssen sie der sich im Kreis bewegenden Schallquelle folgen. Damit vollziehen sie dieselbe kreisförmige Bewegung wie gezüchtete Lachse, die im Kreis schwimmen, um dem rotierenden Arm des Futterautomaten zu folgen. Die Arbeit möchte auf die Probleme in lokalen Ökosystemen hinweisen, die durch die Lachszucht entstehen und erzählt von den Landschaften, die für die Futterproduktion nutzbar gemacht werden. Insgesamt aber schien mir die Kunstausstellung für ein breiteres Zielpublikum, das sich weniger mit Kunst beschäftigt, etwas zu wenig anschaulich und zu weit weg von der Dringlichkeit der “Klima-Krise”.

Um die gesamte Klima Biennale bewerten zu können, bräuchte es allerdings eine Beschäftigung mit weiteren Ausstellungen und Workshops an den verschiedenen Standorten. Die Vielfalt der im Programm ersichtlichen Ansätze für eine bessere Welt, die in den Ausstellungen, Workshops und Vorträgen vermittelt wird, stimmt mich insgesamt jedenfalls zuversichtlich, dass die Veranstaltung ihre positiven Ansätze weiter stärkt und in Zukunft bei möglichen kommenden Auflagen ihre Breitenwirksamkeit und Anschaulichkeit steigern kann.

Literatur:

Biennale Wien, Ausstellungen: Design with a purpose, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:49 Uhr.

Biennale Wien, Ausstellungen: Songs for the Changing Seasons, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Biennale Wien, Projekte: Biofabrique Vienna, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Cooking Sections, Salmon: Feed Chains, Salmon: Feed Chains - Cooking Sections (cooking-sections.com), abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Marlene Lahmer

“sometimes love is not enough“[1]

This review addresses the curatorial concept of Songs for the Changing Seasons – one of the Climate Biennial’s main exhibitions, curated by Lucia Pietroiusti and Filipa Ramos and displayed at the Nordwestbahnhof festival area – and contrasts it with other artistic and theoretical positions within the biennial and beyond. Departing from the curatorial statement that “the exhibition considers forms of love, attention, repair and grief that meet with ecological challenges and damages“, I wonder: where does responsibility enter the picture? Two questions have to be asked here: Is creating emotional connection with the environment enough to shed appeal to human responsibility for the climate crisis? And if yes, do the exhibited artworks, with their wish for connectedness, contain enough criticism and incentive to hold our species, and the capitalist system it has created, accountable?

Ecologist Robin Wall Kimmerer, much acclaimed for reevaluating Western-situated science with indigenous knowledge, argues that a sense of connection with the environment, and especially viewing non-humans as kin, is a prerequisite for treating life forms and ecosystems ethically.[2] Cultural theorist Claire Colebrook, however, warns us that conceptually mingling the human species too much with others  – in the face of environmental crisis – can lead to a “willful denial of humanity’s destructive capacity“[3]. She says, “There can be no redemptive post-human future in which the myopia and anthropocentrism of the species finds an exit and manages to emerge with ecology and life.“[4] Her grim assertion resonates with my question above. But what can the works of the exhibition contribute to this dispute?

Eva Fabregas
’ soft sculptures Exudates await us at the entrance. Though framed as post-anthropocene creatures who might  inhabit the earth after humans have gone extinct, they visibly consist of latex, nylon, and other human-made materials. These pretended creatures may underline the common predicament that humans can only imagine the posthuman in human terms. The tactility of the material is indeed promising, but the potential of haptic, sensory and somatic experience that artist and curators refer to is not fully actualised here – exhibition  guides gave contradictory information on whether the sculptures could actually be touched. Placed in a setting whose goal is “expressing change through the bodies of all beings”, this work promises more than it holds. Joan Jonas’ exalted fish faces in “they come to us without a word II“, a drawing series created as a memento to overfishing, might help the human viewer to relate to fish as beings, but they do not necessarily evoke worry.

The collective Cooking Sections do make us worry with their interactive audio installation that puts humans in the positions of salmon being fed by an automatic feeder tube. We are served an audio Feed Chain that refers to a vicious circle of global dependencies in farming food for the salmon who are in turn farmed as human food. “Salmon are chained to their feed as much as millions of consumers worldwide are hooked to planetary flows of fish flesh.”[5] This work not only compels empathy for another species but, perhaps more pertinently, concern for ourselves. Here we touch the core of what it might take to assume responsibility – the palpable reality of our own exposure to risk: What do we imbibe with the fish we eat? Will there be enough food once we abandon these global supply chains? As ecofeminist scholar Stacy Alaimo remarks, the environment is “always as close as one’s own skin“[6]. This is evoked also by Patricia DominguezBalada de las sirenas secas, which shows humans’ affectedness by environmental hazard through popcultural sarcasm. Dominguez treats water privatisation, drought and the avocado market in Bolivia and Chile. Cleverly, her title that translates to “ballad of the dry mermaids” also calls into question (more-than-)human reproduction, seeing that “secas“ in Spanish means not only “dry” but also “infertile“.

When it comes to Dominique Knowles’ love for horses as an equestrian, his paintings do convey an affectionate connection with a domesticated animal … as well as a vision of landscape only perceivable from horseback. But linking them to the climate crisis is unconvincing. Further, there seems to be a repetition in the function of many works in the exhibition: hazily celebrating interspecies relationships. Lin Mae Saeed’s sea dragon relief, though created from an empathetic activist standpoint, only shallowly affirms, “yes, I focus on nonhuman animals, too“. Likewise Laure Prouvost’s painting of the flight of a woman and a bird would allow manifold associations, but in the exhibition it ends up being one more arrow towards “human and nonhuman” relationships.

What do other voices in the biennial have to say about this? How do they portray our entanglement with questions of sensual perception, commemoration and lifestyle needs?

Marie Vermont (@ Unter und unter uns [under and among us] at Maerz Linz), chooses a rather traditional medium, aquarelle painting, to portray this entanglement. Her Allmende series shows human skeletons[7] in a colour-induced jumble with other agent figures: nonhuman animals, ghosts and polyvalent creatures. It evokes a simultaneity of pain, contemplation, human technology, ritual, movement - without evading neither horror nor kinship in these scenarios. Katie Paterson’s To Burn, Forest, Fire (@ Into The Woods at Kunst Haus Wien) consists of two seemingly mundane incense sticks. Coloured in lighter and darker green respectively, they are titled “First Forest“ and “Last Forest“. Allegedly based on scientific data, they convey the smells of the 385-million-year-old Cairo Forest in New York and of the Amazon rainforest, standing speculatively (and alarmingly) as the last forest on Earth. In an almost sublime manner, the work relates the immediacy of our sense of smell to an incomprehensible non-human time scale.Yet, the incense sticks have a sombre note: the forests are given a representational body … that can be burned for human use. Hana Usui (@ Immediate Matters – exhibition ended on April 18th) creates a memento of a different kind. Her photo series “Electric Shadows“ depicts the shadows of open air electricity cables in the streets of Tokyo. The current that runs through them comes to a large extent still from nuclear sources, and that despite the devastating effects of the Fukushima reactor accident in 2011. Usui turns these quotidian images of energy infrastructure into uncanny ones and reminds us of the proverbial dark sides – and the costs – of electricity consumption. Similarly to Salmon Feed Chains, she points to our unsustainable dependence on the networks of exploitation that uphold ‘comfortable’ or ‘productive’ lifestyles. Songs for a Changing Season could have profited from giving more weight to those kinds of relationships.

Checking the two curators’ recent activities, a flirtation with anti-capitalist attitudes can be detected: Lucia Pietroiusti has co-edited a reader titled More-than-Human (2020), which features seminal Marxist feminist Silvia Federici and her theorisation of body under capitalism among well-known Posthumanist authors who spearhead our current interdependence discourses - a link that stands to reason but is far too seldom claimed or argued.  And on Filipa Ramos’ Instagram feed, we find a quote by Bertolt Brecht in preparation and resonance to the current exhibition: “In dark times / Will there also be singing? / Yes, there will also be singing / About the dark times.” However, if Brecht is invoked as an ally and forebear, then the exhibition misses its goal. After all, Brecht demanded art bring people out of their comfort zones to prompt them to act against injustice. Songs for a Changing Season lacks – but for few exceptions – this incentive. And the role of capitalism in the continued destruction and exploitation of livelihoods across species is certainly underrepresented.

- this text is dedicated to Ana Algarra Navarro, thank you for supporting and challenging me -

[1]  Lana del Rey – Born To Die (2012)

[2]  see Braiding Sweetgrass (2013) or Learning the Grammar of Animacy  (2017)

[3]  Hasana Sharp summarising Colebrook in Endangered Life (2016)

[4]  http://www.openhumanitiespress.org/books/titles/death-of-the-posthuman/

[5]  https://www.cooking-sections.com/Salmon-Feed-Chains

[6]  Trans-corporeal Feminisms and the Ethical Space of Nature (2008)

[7]  likely a reference to the skeleton dance in Tibetan Buddhism, thank you to Jianan Qu for pointing this out

Laura Stöckler

Dass sich Kunst mit Klima und Umwelt beschäftigt, und das viel und oft, ist schwer zu übersehen – egal, ob man sich tiefgehend mit Kunst auseinandersetzt, oder nur flüchtig. Für diese grundlegende Affinität sprechen zahllose dem Thema gewidmete Ausstellungen, performative Praktiken, Artikel und Recherchen.

Im unmittelbaren Zusammenhang mit Überlegungen zu Klima, Umwelt, und der Zukunft der Erde stehen menschliche Einflüsse – Einflüsse, die sich messbar in der Biosphäre manifestiert haben, in den Sedimenten, der Atmosphäre, den Meeren und den Gewässern. Diese Einflüsse lassen sich unter dem mittlerweile fast inflationär verwendeten Begriff des Anthropozäns beschreiben. Ein Verständnis für menschgemachte Veränderungen auf, in, und über der Erde ist mittlerweile fast unumgänglich, um sich klima- und ökologiebezogener Kunst anzunähern – sind es doch anthropogene Einflüsse, die die nahende Klimakatastrophe bedingen. Ein kritischer Zugang zu diesen Veränderungen beginnt daher unumgänglich mit einer Kritik dieser Einflüsse auf jene planetaren Systeme, in die wir seit hunderten Jahren mit zunehmender Aggression eingreifen. Das Gedankengut, das dieser reuelosen Ausbeutung der Erde zugrunde liegt, ist wohl der humanistischen Vorstellung von menschlichem Exzeptionalismus geschuldet. Der Vorstellung, dass das Vorantreiben (westlicher) zivilisatorischer „Entwicklung“ diese Praktiken rechtfertigt und legitimiert.

Welche Antworten gibt uns die Kunst, oder genauer gesagt, die dieses Jahr erstmals stattfindende Klima Biennale in Wien auf diese Problemlage? Diese Resonanz befasst sich mit zwei der Ausstellungskonzepte am Festivalareal des Wiener Nordwestbahnhofs, betitelt Songs for the Changing Seasons und Design with a Purpose.

Allgemein nimmt sich die Klima Biennale vor, „mit der Vision und Kraft der Kunst“ den „Paradigmenwechsel für eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten“[1] voranzutreiben. Dabei setzt sie laut Mission Statement auf das Erfahrbarmachen von klimawandelspezifischen Prozessen – Prozesse, die sich uns im Alltagsleben vielleicht nur rational und abstrakt erschließen, oder Themen, denen wir nur ungern lange Gedanken schenken, weil sie unserer eigenen Lebensrealität so fern sind. Wie oft kommt es zum Beispiel vor, dass man sich im hektischen Berufsleben auf Gedankenexperimente bezüglich dem Wohlergehen von Lachsen in der Lachszucht einlässt? Oder darüber spekuliert, wie es den Tieren in Schönbrunn während des Lockdowns erging?

Die Ausstellung Songs for the Changing Seasons in der Nordwestbahnhalle gibt die Möglichkeit, in diese Prozesse und die kulturellen Praktiken, die sie bedingen, einzutauchen. Manchmal auch wortwörtlich. Denn bei Betreten der Ausstellung erblickt man die 68 Tuschezeichnungen von diversen Fischsorten aus Joan Jonas’ Arbeit they come to us without a word II. Oder man findet sich mit der Installation Salmon Feed Chains beim Nachahmen der endlosen Runden von Zuchtlachsen in ihren Becken. Oder mit The End of Imagination beim Betrachten von Webcam-Aufnahmen aus dem Schönbrunner Zoo zu Zeiten des Lockdowns. Die Variations of a Bird Cage von Studio Ossidiana schlagen uns vorsichtig ein Zusammenleben mit Vögeln, Fledermäusen, und anderen nicht-menschlichen Tieren vor – der Entwurf einer Architektur nicht (nur) für Menschen. In diesen Arbeiten sind es nicht primär die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, die im Vordergrund stehen, sondern die Leben, Bedürfnisse und Erfahrungen von nicht-menschlichen Tieren; Fischen, Vögeln, Zootieren.

Songs for the Changing Seasons nähert sich also den drängenden Fragen und Problemen unserer Zeit über den Weg von Verantwortung, Liebe und Sorge an [3] und trägt uns sanft durch die Ausstellung von Werk zu Werk. Wenig eckt hier an, wenig schockiert, wenig konfrontiert uns mit den Problemen, die sich auf größeren Maßstäben abzeichnen. Das soll nicht heißen, dass es nur nachteilig ist, in einem kleinen Maßstab mit lokalen Problemen oder Lösungen zu arbeiten – tatsächlich hat es wohl viele Vorteile, spezifische Praktiken zu isolieren und zu beleuchten, und Lösungen und Ideen für lokale Probleme anzubieten. Im Sinne der Zugänglichkeit ist es manchmal vielleicht leichter, sich auf greifbare, weniger komplexe Zusammenhänge zu beschränken und neue Denkarten im Kleinen auszutesten.  Auch wenn das heißt, Abstriche zu machen, wenn es um radikale Kritik geht. Einen Anspruch an Kunst ausschließlich kritische Positionen zu beziehen, würde nämlich auch Viele ausschließen, die vielleicht bisher nicht die Möglichkeit hatten, sich solchen Denkstrukturen (bzw. ihren künstlerischen Appropriationen) anzunähern, vor allem, da sie doch unweigerlich eine gewisse intellektuelle Vorbildung erfordern,die nicht selten mit Fragen nach Klasse und Privileg einhergeht. Auch Alter und andere sozioökonomische Faktoren spielen eine zentrale Rolle bei der Fähigkeit, sich auf Kunst und insbesondere kritische Kunst einzulassen. In diesem Kontext kann es durchaus von Vorteil sein, auf einer niederschwelligen Ebene mit Konzepten wie Sorge und Liebe zu arbeiten, die sich  intuitiver erschließen lassen, und die womöglich auf weniger Widerstände und Abwehr stoßen.

Allerdings soll dies nicht die einzige Auseinandersetzung sein. Denn unabhängig von Zugänglichkeit und Kunstverständnis und -kompetenz, ist es ebenso gerechtfertigt, von einer Klima Biennale mit einem so visionären Mission Statement auch kritischere Auseinandersetzungen und konsequentere Kritik zu verlangen. Besonders im größeren Kontext der übrigen Ausstellungen am Nordwestbahnhof. Obwohl das Aufreißen des versiegelten Betonvorplatzes und das (vorerst temporäre) Einpflanzen von Jungbäumen hier eine schöne Symbolik entfaltet, entsteht im Großen und Ganzen der Eindruck, man verstehe hier die Klimakrise als kaum bedenklich; als würden ein paar Bäume hier und einige neue architektonische Typologien für nicht-menschliche Tiere dort bereits einen maßgeblichen Teil dazu beitragen können, diese Krise abzuwenden.

Der Eindruck verstärkt sich leider noch mehr durch die zweite größere Ausstellung am Areal. Natürlich liegt der Ausstellung Design with A Purpose ein grundlegendes Problem zugrunde, nämlich der Umstand, dass „Design eine entscheidende Rolle für das Funktionieren unserer Konsumgesellschaft“ spielt, wie auch das Ausstellungs Statement selbst anerkennt. Die Vorschläge zum Umgang mit diesem Problem werden allerdings dem Anspruch „bestehende Systeme“[2] kritisch zu hinterfragen nicht wirklich gerecht. Denn obwohl es spannend sein kann, die ästhetisch geformten, ‚grün‘ oder zirkulär produzierten Designobjekte in der Nordwestbahnhalle zu betrachten, viele der hier ausgestellten Gegenstände bleiben einer konsumgesellschaftlichen Haltung eingeschrieben. In einer Welt, in der nicht nur die Produktion von Gebrauchsgegenständen ein Problem darstellt, sondern unsere unstillbare Lust nach mehr Komfort, mehr Ästhetik, mehr Besitz, stellen auch schön und umweltfreundlich produzierte Glaskaraffen leider nicht den radikalen Gegenentwurf dar, den man sich von einer Ausstellung zum Thema Design im Rahmen einer Klima Biennale erhoffen und erwarten würde.

In diesem Kontext hinterlässt schlussendlich auch der fürsorgliche Zugang von Songs for the Changing Seasons einen schalen Nachgeschmack und eine Leerstelle, wo man sich nach revolutionären Gedanken gesehnt hätte.  

[1] Biennale Wien, About: Mission Statement, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.05.2024, 12:35 Uhr.

[2] Biennale Wien, Ausstellungen: Design with a Purpose, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.05.2024, 12:35 Uhr.

[3] Biennale Wien, Ausstellungen: Songs for the Changing Seasons, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.5.2024, 12:35 Uhr

Eva Lechner

Weg des Wissens

Knistern und Zirpen, das Rauschen von Blättern im Wind, eine junge weibliche Stimme erzählt aus dem Off:

„Das Leben im Wald funktioniert anders. Manchmal wirkt es wie Chaos, aber wir organisieren uns nur anders … Wir gehen nie dieselben Wege … Im Wald entstehen immer neue Wege, man entdeckt jeden Tag einen neuen Baum, eine neue Pflanze.“ [1]

In der Ausstellung Into the Woods wird Olivers Resslers Video The Path is never the same (2022) gezeigt. Er sammelt darin  ausgewählte Eindrücke aus den Protestcamps im Hambacher Forst, während der Besetzung. Ressler malt ein ruhiges, romantisches Bild vom Lagerleben, ohne Hektik, ohne Streit, ohne Diskussion, kaum tauchen Menschen auf. Ich sehe Hütten und Stege, das Sonnenlicht in den Baumkronen. Meine Kindheitsträume vom Lagerleben fühlen sich plötzlich sehr nah an.  

Schließlich zeigt das Video eine Wegkreuzung, ein Bild reich an Assoziationen. Stehen doch auch die globalen menschlichen Gesellschaften und die wirtschaftlichen Systeme an einem Scheideweg. An dieser Wegkreuzung im Wald befinden sich eine Anschlagtafel und viele Hinweisschilder – offenbar ein zentraler Treffpunkt innerhalb der Camps. Unter der Anschlagtafel genau in der Mitte befindet sich ein blasses Schild mit der paradoxen Aufschrift „Bitte auf den Wegen bleiben!“[2].

Ich muss laut lachen. Ein hilfreicher Reflex, das Lachen. Es vermag Widersprüche einfach aufzulösen - und holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Wie deutlich wird hier die Ambivalenz von Bewahren und Verändern, eben nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung zueinander.

Einen Wechsel der Paradigmen durch die Kraft der Kunst anzustoßen, nichts Geringeres hatte sich die diesjährige Klima Biennale in ihrem Mission Statement als Ziel gesetzt [3]. Neue Pfade sollen aufgezeigt, alte verlassen werden. Der Weg in die Zukunft kann nicht derselbe sein, wie der, den wir bereits zur Gegenwart gegangen sind.

Im Leben von Abel Rodriguez, der mit einigen Arbeiten in der Ausstellung Into the Woods im Kunsthaus vertreten ist, wird die Bedeutung neuer Wege ebenfalls deutlich. Er verließ sein Dorf im Amazonas und ging nach Bogotá, wo er für die NGO Tropenbos als Pflanzenexperte arbeitet [4]. Als Ältester der indigenen Gemeinschaft der Noguya dokumentiert er nun Überlieferungen und Erfahrungen aus einem schwindenden Lebensraum. Während sich seine Vorfahren traditionell auf mündliche Überlieferungen stützten, geht er nun den Weg der Aufzeichnung, um Wissen zu vermitteln und damit neue Sichtweisen zu eröffnen.

In Tierra firme II („festes Land“) hält Rodriguez den Urwald am Ursprung des Rio Cahuinari fest. Das aus der Erinnerung gemalte Bild zeigt viele Details: Blätter, Farbnuancen, Aststellungen der Bäume, Sträucher und Phytoparasiten. In zahlreichen Zeichnungen und auf seinen botanischen Tafeln bewahrt er Aussehen, Farbe, Blütezeiten und spirituelle sowie praktische Verwendungen. Er dokumentiert und doch werden seine Werke als Kunst gesehen und wurden bereits in zahlreichen Kunstausstellungen in Amerika wie auch in Europa gezeigt. Im Rahmen der Documenta 14 schrieb der kolumbianische Kurator und Kunstmanager José Roca [5] folgendes über ihn:

“Abel betrachtet sich aber nicht als zeitgenössischer Künstler im westlichen Sinn. „Bei uns gibt es diese Vorstellung so nicht. Am nächsten kommt ihr noch etwas, das auf Muinane iimitya (Wort der Macht) heißt und meint, dass alle Wege zum selben Wissen, dem Ursprung aller Wege, führen.“ [6]

Ich atme tief ein und lange aus bei dem Gedanken: Was für eine wunderbare Definition von Kunst!

Die Frage nach dem Nutzen der Kunst, der Funktion der Kunst, kreist in meinen Gedanken. Mal komme ich zu dem Schluss, dass sie eben keine Funktion haben kann, doch das scheint eine fade Ausrede zu sein. Sich herausreden, damit man nicht muss, damit Kunst nichts muss. Kunst muss nicht. Aber sie kann! Immer wieder entdecke ich, welchen unschätzbaren Einfluss sie auf mich hat, wenn es darum geht, Inspiration zu finden, Ideen zu entwickeln – Wege zu sehen und Wege zu gehen.

Oftmals ermöglichte sie mir fantastische Perspektiven, mal tröstlich, mal erschütternd. Wo zuvor nichts war, ungenutzte Hirnmasse, entsteht ein Pfad der Neuronen, der es möglich macht, anders zu denken als zuvor. Was brauche ich mehr? Was brauchen wir mehr?

Wege sehen und Wege gehen. Die Kunst als Weg des Wissens!

[1] Oliver Ressler, Video: „the path is never the same”, 2022

[2] https://www.ressler.at/de/

[3] https://www.biennale.wien/about

[4] Begleittext zu Abel Rodriquez; “Into the woods”

[5]  https://www.phileas.art/curators/joseroca

[6] https://www.documenta14.de/de/artists/13538/abel-rodriguez

Adrian Praschl-Bichler

Wien veranstaltet dieses Jahr zum ersten Mal die Klima Biennale. Schon vor meinem Besuch am Nordwestbahnhof, dem Hauptareal der Veranstaltung, konnte ich im Foto-Arsenal einen Teil des weit über Wien verteilten und vielseitigen Programms der Klima Biennale kennenlernen. Ausstellungen, Workshops oder Vorträge sollen den Menschen das Thema Klimawandel näherbringen. Dabei verwies die Vermittlerin des Rundgangs am Festivalgelände auf den breiteren Zugang, den die Biennale einnehmen möchte: Es soll nicht nur der ökologische Aspekt diskutiert, sondern auch die sozialpolitische Komponente mitgedacht werden. In den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wird deutlich, dass es für eine lebenswerte Zukunft aller Menschen neben einem intakten Klima, unter anderem auch eine saubere Umwelt, Geschlechtergleichheit, weniger soziale Ungleichheiten und Frieden braucht. Aufgrund der Dringlichkeit der „Klimakrise“ (ein Begriff, dessen Alarmismus berechtigt ist, der aber aufgrund seiner häufigen Verwendung und des geringen politischen Handelns seine Wirkkraft fast verloren hat) kann die Klima Biennale ein wichtiges Zeichen setzen, indem die Alternativlosigkeit von Klimaschutz aus künstlerischer Perspektive aufgezeigt und Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geschaffen wird.

Angekommen am „Festivalareal“ des Nordwestbahnhofs vermisse ich die Festivalstimmung. In meiner Vorstellung reihte sich wie auf einem Christkindlmarkt eine Holzhütte an die nächste, nur dass diese zum Thema Klima informieren und dieses spielerisch und nicht durch komplexe Infografiken zugänglich machten. Ich erwartete einen Ort, der zum Experimentieren, Austauschen, Verweilen und, so ernst das Thema auch ist, zum Lachen einlädt und an dem viele Familien und Kinder Zeit verbringen. Angetroffen habe ich ein menschenleeres Areal, das durch einige gerettete und hier frisch eingepflanzte Bäume durchbrochen wurde. Ansonsten lud der Platz im Freien nicht zum Verweilen ein. Die zu Beginn der Klima-Biennale auf Fotos ersichtlichen metallenen Stühle mit kleinen Tischen waren zum Zeitpunkt meines Besuches nicht mehr vor Ort. Vielleicht verunmöglichte der Wind auf diesem recht offenen Areal das Aufstellen dieser Sitzgelegenheiten. Eine andere Möglichkeit, um die Leute im Freien zum Verweilen einzuladen wurde leider nicht gefunden. Erst in der Haupthalle kamen die ersten Besucher*innen zusammen. Dort konnten diese auch in einem Café sitzen und verweilen und an der Kassa ihr Ticket kaufen. Dem sozial-ökologischen Ansatz entsprechend konnte man den Preis des Festivalpasses nach eigenem Ermessen wählen. Dadurch werden wirklich alle zur Teilnahme eingeladen und keine gesellschaftliche Schicht ausgeschlossen. Diesem Anspruch der Zugänglichkeit der Klima Biennale entspricht auch das örtlich weit verstreute Programm, aber auch die inhaltlich übersichtliche und ästhetisch ansprechende Website, die wie das übrige Branding den Farben von Klimakarten nachempfunden wurde. Doch wie zugänglich war das Programm selbst?

Das Festivalareal am Nordwestbahnhof bot unter anderem die Kunstausstellung Songs for the changing Seasons, eine Designabteilung sowie die Vorstellung des Projekts Biofabrique Vienna. Letzteres ist aufgrund seines Ansatzes spannend. Kurz: Material soll lokal verwendet werden, Ideen sollen weit reisen – doch die Präsentation, die sichtlich auf den kollaborativen Prozesscharakter des Projekts verweist, ist wenig ansprechend. Die Materialien auf einem Metallgerüst mit den direkt darunter angebrachten Schildern erinnern an die Präsentation von Produkten in einem Baumarkt. Die Design-Abteilung wollte „Zusammenhänge neu denken“ und „Geschichten erzählen“. Einige Initiativen und Kunstwerke waren dabei sehr anschaulich und vermittelten einen Impuls, selbst im Kleinen erfinderisch zu werden. Allen voran ist hier die Circular Shower von EOOS - eine Gartendusche, die das Duschabwasser durch die angebrachten Pflanzen reinigt und wiederverwendbar macht - zu nennen. Wie das Abwasser allerdings wieder zu den Pflanzen aufsteigt, wurde mir und meinen Begleiterinnen weder durch die Führung noch durch den angebrachten Text klar. Ähnlich erging es mir in der Kunstausstellung Songs for the Changing Seasons. Einige Aspekte und Werke erschienen intuitiv verständlich, andere erschlossen sich mir nur schwer. Die Installation Salmon: Feed Chains aus 2022 von Cooking Sections ist eine der leicht zugänglichen Arbeiten. Wollen die Besucher*innen die Sound-Installation vollumfänglich erfahren, so müssen sie der sich im Kreis bewegenden Schallquelle folgen. Damit vollziehen sie dieselbe kreisförmige Bewegung wie gezüchtete Lachse, die im Kreis schwimmen, um dem rotierenden Arm des Futterautomaten zu folgen. Die Arbeit möchte auf die Probleme in lokalen Ökosystemen hinweisen, die durch die Lachszucht entstehen und erzählt von den Landschaften, die für die Futterproduktion nutzbar gemacht werden. Insgesamt aber schien mir die Kunstausstellung für ein breiteres Zielpublikum, das sich weniger mit Kunst beschäftigt, etwas zu wenig anschaulich und zu weit weg von der Dringlichkeit der “Klima-Krise”.

Um die gesamte Klima Biennale bewerten zu können, bräuchte es allerdings eine Beschäftigung mit weiteren Ausstellungen und Workshops an den verschiedenen Standorten. Die Vielfalt der im Programm ersichtlichen Ansätze für eine bessere Welt, die in den Ausstellungen, Workshops und Vorträgen vermittelt wird, stimmt mich insgesamt jedenfalls zuversichtlich, dass die Veranstaltung ihre positiven Ansätze weiter stärkt und in Zukunft bei möglichen kommenden Auflagen ihre Breitenwirksamkeit und Anschaulichkeit steigern kann.

Literatur:

Biennale Wien, Ausstellungen: Design with a purpose, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:49 Uhr.

Biennale Wien, Ausstellungen: Songs for the Changing Seasons, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Biennale Wien, Projekte: Biofabrique Vienna, Klima Biennale Wien, abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Cooking Sections, Salmon: Feed Chains, Salmon: Feed Chains - Cooking Sections (cooking-sections.com), abgerufen am: 20.05.2024, 22:46 Uhr.

Marlene Lahmer

“sometimes love is not enough“[1]

This review addresses the curatorial concept of Songs for the Changing Seasons – one of the Climate Biennial’s main exhibitions, curated by Lucia Pietroiusti and Filipa Ramos and displayed at the Nordwestbahnhof festival area – and contrasts it with other artistic and theoretical positions within the biennial and beyond. Departing from the curatorial statement that “the exhibition considers forms of love, attention, repair and grief that meet with ecological challenges and damages“, I wonder: where does responsibility enter the picture? Two questions have to be asked here: Is creating emotional connection with the environment enough to shed appeal to human responsibility for the climate crisis? And if yes, do the exhibited artworks, with their wish for connectedness, contain enough criticism and incentive to hold our species, and the capitalist system it has created, accountable?

Ecologist Robin Wall Kimmerer, much acclaimed for reevaluating Western-situated science with indigenous knowledge, argues that a sense of connection with the environment, and especially viewing non-humans as kin, is a prerequisite for treating life forms and ecosystems ethically.[2] Cultural theorist Claire Colebrook, however, warns us that conceptually mingling the human species too much with others  – in the face of environmental crisis – can lead to a “willful denial of humanity’s destructive capacity“[3]. She says, “There can be no redemptive post-human future in which the myopia and anthropocentrism of the species finds an exit and manages to emerge with ecology and life.“[4] Her grim assertion resonates with my question above. But what can the works of the exhibition contribute to this dispute?

Eva Fabregas
’ soft sculptures Exudates await us at the entrance. Though framed as post-anthropocene creatures who might  inhabit the earth after humans have gone extinct, they visibly consist of latex, nylon, and other human-made materials. These pretended creatures may underline the common predicament that humans can only imagine the posthuman in human terms. The tactility of the material is indeed promising, but the potential of haptic, sensory and somatic experience that artist and curators refer to is not fully actualised here – exhibition  guides gave contradictory information on whether the sculptures could actually be touched. Placed in a setting whose goal is “expressing change through the bodies of all beings”, this work promises more than it holds. Joan Jonas’ exalted fish faces in “they come to us without a word II“, a drawing series created as a memento to overfishing, might help the human viewer to relate to fish as beings, but they do not necessarily evoke worry.

The collective Cooking Sections do make us worry with their interactive audio installation that puts humans in the positions of salmon being fed by an automatic feeder tube. We are served an audio Feed Chain that refers to a vicious circle of global dependencies in farming food for the salmon who are in turn farmed as human food. “Salmon are chained to their feed as much as millions of consumers worldwide are hooked to planetary flows of fish flesh.”[5] This work not only compels empathy for another species but, perhaps more pertinently, concern for ourselves. Here we touch the core of what it might take to assume responsibility – the palpable reality of our own exposure to risk: What do we imbibe with the fish we eat? Will there be enough food once we abandon these global supply chains? As ecofeminist scholar Stacy Alaimo remarks, the environment is “always as close as one’s own skin“[6]. This is evoked also by Patricia DominguezBalada de las sirenas secas, which shows humans’ affectedness by environmental hazard through popcultural sarcasm. Dominguez treats water privatisation, drought and the avocado market in Bolivia and Chile. Cleverly, her title that translates to “ballad of the dry mermaids” also calls into question (more-than-)human reproduction, seeing that “secas“ in Spanish means not only “dry” but also “infertile“.

When it comes to Dominique Knowles’ love for horses as an equestrian, his paintings do convey an affectionate connection with a domesticated animal … as well as a vision of landscape only perceivable from horseback. But linking them to the climate crisis is unconvincing. Further, there seems to be a repetition in the function of many works in the exhibition: hazily celebrating interspecies relationships. Lin Mae Saeed’s sea dragon relief, though created from an empathetic activist standpoint, only shallowly affirms, “yes, I focus on nonhuman animals, too“. Likewise Laure Prouvost’s painting of the flight of a woman and a bird would allow manifold associations, but in the exhibition it ends up being one more arrow towards “human and nonhuman” relationships.

What do other voices in the biennial have to say about this? How do they portray our entanglement with questions of sensual perception, commemoration and lifestyle needs?

Marie Vermont (@ Unter und unter uns [under and among us] at Maerz Linz), chooses a rather traditional medium, aquarelle painting, to portray this entanglement. Her Allmende series shows human skeletons[7] in a colour-induced jumble with other agent figures: nonhuman animals, ghosts and polyvalent creatures. It evokes a simultaneity of pain, contemplation, human technology, ritual, movement - without evading neither horror nor kinship in these scenarios. Katie Paterson’s To Burn, Forest, Fire (@ Into The Woods at Kunst Haus Wien) consists of two seemingly mundane incense sticks. Coloured in lighter and darker green respectively, they are titled “First Forest“ and “Last Forest“. Allegedly based on scientific data, they convey the smells of the 385-million-year-old Cairo Forest in New York and of the Amazon rainforest, standing speculatively (and alarmingly) as the last forest on Earth. In an almost sublime manner, the work relates the immediacy of our sense of smell to an incomprehensible non-human time scale.Yet, the incense sticks have a sombre note: the forests are given a representational body … that can be burned for human use. Hana Usui (@ Immediate Matters – exhibition ended on April 18th) creates a memento of a different kind. Her photo series “Electric Shadows“ depicts the shadows of open air electricity cables in the streets of Tokyo. The current that runs through them comes to a large extent still from nuclear sources, and that despite the devastating effects of the Fukushima reactor accident in 2011. Usui turns these quotidian images of energy infrastructure into uncanny ones and reminds us of the proverbial dark sides – and the costs – of electricity consumption. Similarly to Salmon Feed Chains, she points to our unsustainable dependence on the networks of exploitation that uphold ‘comfortable’ or ‘productive’ lifestyles. Songs for a Changing Season could have profited from giving more weight to those kinds of relationships.

Checking the two curators’ recent activities, a flirtation with anti-capitalist attitudes can be detected: Lucia Pietroiusti has co-edited a reader titled More-than-Human (2020), which features seminal Marxist feminist Silvia Federici and her theorisation of body under capitalism among well-known Posthumanist authors who spearhead our current interdependence discourses - a link that stands to reason but is far too seldom claimed or argued.  And on Filipa Ramos’ Instagram feed, we find a quote by Bertolt Brecht in preparation and resonance to the current exhibition: “In dark times / Will there also be singing? / Yes, there will also be singing / About the dark times.” However, if Brecht is invoked as an ally and forebear, then the exhibition misses its goal. After all, Brecht demanded art bring people out of their comfort zones to prompt them to act against injustice. Songs for a Changing Season lacks – but for few exceptions – this incentive. And the role of capitalism in the continued destruction and exploitation of livelihoods across species is certainly underrepresented.

- this text is dedicated to Ana Algarra Navarro, thank you for supporting and challenging me -

[1]  Lana del Rey – Born To Die (2012)

[2]  see Braiding Sweetgrass (2013) or Learning the Grammar of Animacy  (2017)

[3]  Hasana Sharp summarising Colebrook in Endangered Life (2016)

[4]  http://www.openhumanitiespress.org/books/titles/death-of-the-posthuman/

[5]  https://www.cooking-sections.com/Salmon-Feed-Chains

[6]  Trans-corporeal Feminisms and the Ethical Space of Nature (2008)

[7]  likely a reference to the skeleton dance in Tibetan Buddhism, thank you to Jianan Qu for pointing this out

Laura Stöckler

Dass sich Kunst mit Klima und Umwelt beschäftigt, und das viel und oft, ist schwer zu übersehen – egal, ob man sich tiefgehend mit Kunst auseinandersetzt, oder nur flüchtig. Für diese grundlegende Affinität sprechen zahllose dem Thema gewidmete Ausstellungen, performative Praktiken, Artikel und Recherchen.

Im unmittelbaren Zusammenhang mit Überlegungen zu Klima, Umwelt, und der Zukunft der Erde stehen menschliche Einflüsse – Einflüsse, die sich messbar in der Biosphäre manifestiert haben, in den Sedimenten, der Atmosphäre, den Meeren und den Gewässern. Diese Einflüsse lassen sich unter dem mittlerweile fast inflationär verwendeten Begriff des Anthropozäns beschreiben. Ein Verständnis für menschgemachte Veränderungen auf, in, und über der Erde ist mittlerweile fast unumgänglich, um sich klima- und ökologiebezogener Kunst anzunähern – sind es doch anthropogene Einflüsse, die die nahende Klimakatastrophe bedingen. Ein kritischer Zugang zu diesen Veränderungen beginnt daher unumgänglich mit einer Kritik dieser Einflüsse auf jene planetaren Systeme, in die wir seit hunderten Jahren mit zunehmender Aggression eingreifen. Das Gedankengut, das dieser reuelosen Ausbeutung der Erde zugrunde liegt, ist wohl der humanistischen Vorstellung von menschlichem Exzeptionalismus geschuldet. Der Vorstellung, dass das Vorantreiben (westlicher) zivilisatorischer „Entwicklung“ diese Praktiken rechtfertigt und legitimiert.

Welche Antworten gibt uns die Kunst, oder genauer gesagt, die dieses Jahr erstmals stattfindende Klima Biennale in Wien auf diese Problemlage? Diese Resonanz befasst sich mit zwei der Ausstellungskonzepte am Festivalareal des Wiener Nordwestbahnhofs, betitelt Songs for the Changing Seasons und Design with a Purpose.

Allgemein nimmt sich die Klima Biennale vor, „mit der Vision und Kraft der Kunst“ den „Paradigmenwechsel für eine lebenswerte Zukunft auf unserem Planeten“[1] voranzutreiben. Dabei setzt sie laut Mission Statement auf das Erfahrbarmachen von klimawandelspezifischen Prozessen – Prozesse, die sich uns im Alltagsleben vielleicht nur rational und abstrakt erschließen, oder Themen, denen wir nur ungern lange Gedanken schenken, weil sie unserer eigenen Lebensrealität so fern sind. Wie oft kommt es zum Beispiel vor, dass man sich im hektischen Berufsleben auf Gedankenexperimente bezüglich dem Wohlergehen von Lachsen in der Lachszucht einlässt? Oder darüber spekuliert, wie es den Tieren in Schönbrunn während des Lockdowns erging?

Die Ausstellung Songs for the Changing Seasons in der Nordwestbahnhalle gibt die Möglichkeit, in diese Prozesse und die kulturellen Praktiken, die sie bedingen, einzutauchen. Manchmal auch wortwörtlich. Denn bei Betreten der Ausstellung erblickt man die 68 Tuschezeichnungen von diversen Fischsorten aus Joan Jonas’ Arbeit they come to us without a word II. Oder man findet sich mit der Installation Salmon Feed Chains beim Nachahmen der endlosen Runden von Zuchtlachsen in ihren Becken. Oder mit The End of Imagination beim Betrachten von Webcam-Aufnahmen aus dem Schönbrunner Zoo zu Zeiten des Lockdowns. Die Variations of a Bird Cage von Studio Ossidiana schlagen uns vorsichtig ein Zusammenleben mit Vögeln, Fledermäusen, und anderen nicht-menschlichen Tieren vor – der Entwurf einer Architektur nicht (nur) für Menschen. In diesen Arbeiten sind es nicht primär die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, die im Vordergrund stehen, sondern die Leben, Bedürfnisse und Erfahrungen von nicht-menschlichen Tieren; Fischen, Vögeln, Zootieren.

Songs for the Changing Seasons nähert sich also den drängenden Fragen und Problemen unserer Zeit über den Weg von Verantwortung, Liebe und Sorge an [3] und trägt uns sanft durch die Ausstellung von Werk zu Werk. Wenig eckt hier an, wenig schockiert, wenig konfrontiert uns mit den Problemen, die sich auf größeren Maßstäben abzeichnen. Das soll nicht heißen, dass es nur nachteilig ist, in einem kleinen Maßstab mit lokalen Problemen oder Lösungen zu arbeiten – tatsächlich hat es wohl viele Vorteile, spezifische Praktiken zu isolieren und zu beleuchten, und Lösungen und Ideen für lokale Probleme anzubieten. Im Sinne der Zugänglichkeit ist es manchmal vielleicht leichter, sich auf greifbare, weniger komplexe Zusammenhänge zu beschränken und neue Denkarten im Kleinen auszutesten.  Auch wenn das heißt, Abstriche zu machen, wenn es um radikale Kritik geht. Einen Anspruch an Kunst ausschließlich kritische Positionen zu beziehen, würde nämlich auch Viele ausschließen, die vielleicht bisher nicht die Möglichkeit hatten, sich solchen Denkstrukturen (bzw. ihren künstlerischen Appropriationen) anzunähern, vor allem, da sie doch unweigerlich eine gewisse intellektuelle Vorbildung erfordern,die nicht selten mit Fragen nach Klasse und Privileg einhergeht. Auch Alter und andere sozioökonomische Faktoren spielen eine zentrale Rolle bei der Fähigkeit, sich auf Kunst und insbesondere kritische Kunst einzulassen. In diesem Kontext kann es durchaus von Vorteil sein, auf einer niederschwelligen Ebene mit Konzepten wie Sorge und Liebe zu arbeiten, die sich  intuitiver erschließen lassen, und die womöglich auf weniger Widerstände und Abwehr stoßen.

Allerdings soll dies nicht die einzige Auseinandersetzung sein. Denn unabhängig von Zugänglichkeit und Kunstverständnis und -kompetenz, ist es ebenso gerechtfertigt, von einer Klima Biennale mit einem so visionären Mission Statement auch kritischere Auseinandersetzungen und konsequentere Kritik zu verlangen. Besonders im größeren Kontext der übrigen Ausstellungen am Nordwestbahnhof. Obwohl das Aufreißen des versiegelten Betonvorplatzes und das (vorerst temporäre) Einpflanzen von Jungbäumen hier eine schöne Symbolik entfaltet, entsteht im Großen und Ganzen der Eindruck, man verstehe hier die Klimakrise als kaum bedenklich; als würden ein paar Bäume hier und einige neue architektonische Typologien für nicht-menschliche Tiere dort bereits einen maßgeblichen Teil dazu beitragen können, diese Krise abzuwenden.

Der Eindruck verstärkt sich leider noch mehr durch die zweite größere Ausstellung am Areal. Natürlich liegt der Ausstellung Design with A Purpose ein grundlegendes Problem zugrunde, nämlich der Umstand, dass „Design eine entscheidende Rolle für das Funktionieren unserer Konsumgesellschaft“ spielt, wie auch das Ausstellungs Statement selbst anerkennt. Die Vorschläge zum Umgang mit diesem Problem werden allerdings dem Anspruch „bestehende Systeme“[2] kritisch zu hinterfragen nicht wirklich gerecht. Denn obwohl es spannend sein kann, die ästhetisch geformten, ‚grün‘ oder zirkulär produzierten Designobjekte in der Nordwestbahnhalle zu betrachten, viele der hier ausgestellten Gegenstände bleiben einer konsumgesellschaftlichen Haltung eingeschrieben. In einer Welt, in der nicht nur die Produktion von Gebrauchsgegenständen ein Problem darstellt, sondern unsere unstillbare Lust nach mehr Komfort, mehr Ästhetik, mehr Besitz, stellen auch schön und umweltfreundlich produzierte Glaskaraffen leider nicht den radikalen Gegenentwurf dar, den man sich von einer Ausstellung zum Thema Design im Rahmen einer Klima Biennale erhoffen und erwarten würde.

In diesem Kontext hinterlässt schlussendlich auch der fürsorgliche Zugang von Songs for the Changing Seasons einen schalen Nachgeschmack und eine Leerstelle, wo man sich nach revolutionären Gedanken gesehnt hätte.  

[1] Biennale Wien, About: Mission Statement, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.05.2024, 12:35 Uhr.

[2] Biennale Wien, Ausstellungen: Design with a Purpose, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.05.2024, 12:35 Uhr.

[3] Biennale Wien, Ausstellungen: Songs for the Changing Seasons, Klima Biennale Wien, abgerufen am 29.5.2024, 12:35 Uhr

Eva Lechner

Weg des Wissens

Knistern und Zirpen, das Rauschen von Blättern im Wind, eine junge weibliche Stimme erzählt aus dem Off:

„Das Leben im Wald funktioniert anders. Manchmal wirkt es wie Chaos, aber wir organisieren uns nur anders … Wir gehen nie dieselben Wege … Im Wald entstehen immer neue Wege, man entdeckt jeden Tag einen neuen Baum, eine neue Pflanze.“ [1]

In der Ausstellung Into the Woods wird Olivers Resslers Video The Path is never the same (2022) gezeigt. Er sammelt darin  ausgewählte Eindrücke aus den Protestcamps im Hambacher Forst, während der Besetzung. Ressler malt ein ruhiges, romantisches Bild vom Lagerleben, ohne Hektik, ohne Streit, ohne Diskussion, kaum tauchen Menschen auf. Ich sehe Hütten und Stege, das Sonnenlicht in den Baumkronen. Meine Kindheitsträume vom Lagerleben fühlen sich plötzlich sehr nah an.  

Schließlich zeigt das Video eine Wegkreuzung, ein Bild reich an Assoziationen. Stehen doch auch die globalen menschlichen Gesellschaften und die wirtschaftlichen Systeme an einem Scheideweg. An dieser Wegkreuzung im Wald befinden sich eine Anschlagtafel und viele Hinweisschilder – offenbar ein zentraler Treffpunkt innerhalb der Camps. Unter der Anschlagtafel genau in der Mitte befindet sich ein blasses Schild mit der paradoxen Aufschrift „Bitte auf den Wegen bleiben!“[2].

Ich muss laut lachen. Ein hilfreicher Reflex, das Lachen. Es vermag Widersprüche einfach aufzulösen - und holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Wie deutlich wird hier die Ambivalenz von Bewahren und Verändern, eben nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung zueinander.

Einen Wechsel der Paradigmen durch die Kraft der Kunst anzustoßen, nichts Geringeres hatte sich die diesjährige Klima Biennale in ihrem Mission Statement als Ziel gesetzt [3]. Neue Pfade sollen aufgezeigt, alte verlassen werden. Der Weg in die Zukunft kann nicht derselbe sein, wie der, den wir bereits zur Gegenwart gegangen sind.

Im Leben von Abel Rodriguez, der mit einigen Arbeiten in der Ausstellung Into the Woods im Kunsthaus vertreten ist, wird die Bedeutung neuer Wege ebenfalls deutlich. Er verließ sein Dorf im Amazonas und ging nach Bogotá, wo er für die NGO Tropenbos als Pflanzenexperte arbeitet [4]. Als Ältester der indigenen Gemeinschaft der Noguya dokumentiert er nun Überlieferungen und Erfahrungen aus einem schwindenden Lebensraum. Während sich seine Vorfahren traditionell auf mündliche Überlieferungen stützten, geht er nun den Weg der Aufzeichnung, um Wissen zu vermitteln und damit neue Sichtweisen zu eröffnen.

In Tierra firme II („festes Land“) hält Rodriguez den Urwald am Ursprung des Rio Cahuinari fest. Das aus der Erinnerung gemalte Bild zeigt viele Details: Blätter, Farbnuancen, Aststellungen der Bäume, Sträucher und Phytoparasiten. In zahlreichen Zeichnungen und auf seinen botanischen Tafeln bewahrt er Aussehen, Farbe, Blütezeiten und spirituelle sowie praktische Verwendungen. Er dokumentiert und doch werden seine Werke als Kunst gesehen und wurden bereits in zahlreichen Kunstausstellungen in Amerika wie auch in Europa gezeigt. Im Rahmen der Documenta 14 schrieb der kolumbianische Kurator und Kunstmanager José Roca [5] folgendes über ihn:

“Abel betrachtet sich aber nicht als zeitgenössischer Künstler im westlichen Sinn. „Bei uns gibt es diese Vorstellung so nicht. Am nächsten kommt ihr noch etwas, das auf Muinane iimitya (Wort der Macht) heißt und meint, dass alle Wege zum selben Wissen, dem Ursprung aller Wege, führen.“ [6]

Ich atme tief ein und lange aus bei dem Gedanken: Was für eine wunderbare Definition von Kunst!

Die Frage nach dem Nutzen der Kunst, der Funktion der Kunst, kreist in meinen Gedanken. Mal komme ich zu dem Schluss, dass sie eben keine Funktion haben kann, doch das scheint eine fade Ausrede zu sein. Sich herausreden, damit man nicht muss, damit Kunst nichts muss. Kunst muss nicht. Aber sie kann! Immer wieder entdecke ich, welchen unschätzbaren Einfluss sie auf mich hat, wenn es darum geht, Inspiration zu finden, Ideen zu entwickeln – Wege zu sehen und Wege zu gehen.

Oftmals ermöglichte sie mir fantastische Perspektiven, mal tröstlich, mal erschütternd. Wo zuvor nichts war, ungenutzte Hirnmasse, entsteht ein Pfad der Neuronen, der es möglich macht, anders zu denken als zuvor. Was brauche ich mehr? Was brauchen wir mehr?

Wege sehen und Wege gehen. Die Kunst als Weg des Wissens!

[1] Oliver Ressler, Video: „the path is never the same”, 2022

[2] https://www.ressler.at/de/

[3] https://www.biennale.wien/about

[4] Begleittext zu Abel Rodriquez; “Into the woods”

[5]  https://www.phileas.art/curators/joseroca

[6] https://www.documenta14.de/de/artists/13538/abel-rodriguez

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