Katharina Hoffmann

Teresa Kranawetter

Michelle Seidl

Adrian Praschl-Bichler

Ines Doujak, Geistervölker

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Ines Doujak, Ausstellungsansicht Ines Doujak: Geistervölker, Kunsthalle Wien, Wien, 2021, Foto Credits: Markus Wörgötter 

Katharina Hoffmann

Wer die reale Welt sieht, weiß auch, dass Geister existieren.

 

Unheimlich und erschreckend konfrontiert fühle ich mich beim Betreten der Kunsthalle. Krisen, Krankheiten, Kolonialismus und Kapitalismus erhalten durch Ines Doujak ein Gesicht und reißen Wunden in meinem kulturellen Gedächtnis auf. Sowohl meine Sorgen rund um die Zukunft als auch meine verdrängten Erlebnisse aus der Vergangenheit begleiten mich durch die Ausstellung. Mit meiner FFP2-Maske auf starre ich auf die Fledermaus, die allem Anschein nach der Auslöser für die COVID-19-Pandemie sein soll und ich fühle mich ihr gleich. Die Übertragung des Virus ist menschengemacht, denn während die Fledermaus von Ort zu Ort fliegt, um nach Nahrung und Unterschlupf zu suchen, verbreitet sich das Virus von Tier auf Mensch. Und wir Menschen verbreiten es durch das Fliegen um den Globus, nur um ein Häkchen auf unsere To-do-Liste zu setzen und diese Orte auf Social-Media-Plattformen zu posten. Der durch die Flugemissionen entstandene Co2-Fußabdruck wird wie Spuren im Sand weggespült und vergessen.

Nach diesen Überlegungen beruhigt sich mein Gemüt, denn die Geister suchen mich nur dann heim, wenn ich meinem Umfeld gegenüber erblinde. Von der Erkenntnis folgt die Einsicht über das doch erkennbare parasitäre Verhalten innerhalb der Gesellschaft. Auf Kosten Anderer werden wir zu einer Versklavung von unerreichbaren Idealen durch den Kapitalismus verführt und die fehlende Akzeptanz der tatsächlichen Realität vom einfachen sozialen Menschsein macht sich langsam in mir spürbar. Warum will ich trotz dieser Erkenntnis in kein abgebildetes Gesicht blicken und was sagt dieses Verhalten über mich aus?   

 

Ich habe meine Scheuklappen gegenüber der Realität wieder erkannt. Die Risse in meinen Wunden werden größer und nun schwirren auch Doujaks Geister in meinem Kopf. Wie lange sie mich wohl heimsuchen werden, ist eine Frage, die mich nachts nur schwer loslässt.

Teresa Kranawetter

Ein zentrales Element in Doujaks künstlerischer Arbeit ist die Konstruktion von Figuren, die durch die Zusammensetzung mehrerer Körperfragmente von Menschen sowie Tieren entstehen und durch ihre Hybridität monströs wirken. Im Vordergrund der künstlerischen Gestaltung steht dabei der kranke Körper, der durch die Verformung, Verfärbung und Verunstaltung der Haut der Figuren Assoziationen mit der Übertragung von Krankheiten, viralem oder bakteriellem Befall auslöst. Die Figuren werden mit einem von Krankheiten sichtbar überzogenem "Hautkleid" überstülpt, das auf das verweist, was noch viel beängstigender erscheint als das nur sichtbar kranke Außen: Die unsichtbaren Überträger innerhalb des Organismus der Skulptur, die den Ursprung für die Abszesse und Wucherungen darstellen. Milben, Pilze, Bakterien und Viren, gelangen durch tierische Überträger in den menschlichen Mechanismus und rufen symptomatischen Reaktionen am Körper hervor. Die Künstlerin spricht die Übertragungsmechanismen vergangener und zukünftiger Pandemien an, die auf dem Fundament der ökologischen Ausbeutung basieren und die Folge der hierarchischen Positionierung des Menschen über seine Umwelt sind. Nach dem Besuch der Ausstellung merke ich, wie meine Gedanken vor allem um diese figurativen Arbeiten der Künstlerin kreisen und wie diese in meinem visuellen Gedächtnis hängen bleiben. Ines Doujak fordert Besuchende durch eine vielschichtige, humoristische, überspitzte, aber wissenschaftlich durchdachte Darstellung heraus, eine neue Perspektive einzunehmen. Während des Durchgangs durch die Kunsthalle wird man mit einer Vielschichtigkeit, die zum einen auf der inhaltlichen Ebene und zum anderen auf der technisch-medialen Ebene passiert, konfrontiert. Die Figuren befallen die Räumlichkeiten der Kunsthalle und jede einzelne verlangt nach einer genaueren Auseinandersetzung. Eine Vielzahl von Assoziationen wird während des Betrachtens hervorgerufen. Ich denke an dystopische Figuren von Hieronymus Bosch, Arcimboldos Collagen, Biologielehrbücher und Krankheitsbilder, Dr. Frankensteins zusammengesetztes Monster, die aktuelle Covid-19-Situation und die Angst vor weiteren Pandemien. Dabei kommt ein Gefühl der Überforderung hoch und meine Neugier auf tiefergehende Kontextualisierung wird überstrapaziert, da innerhalb der Ausstellung wenig Fokus auf eine didaktische Vermittlung gelegt wird und deshalb informierende Wandtexte fast gänzlich ausbleiben. Zeitgleich fordert die Künstlerin durch ihre textbasierten Arbeiten sowie ihre Podcasts dazu auf, sich zu informieren, zuzuhören und zu lesen. Diese Überforderung gestaltet sich aber nach dem Ausstellungsbesuch zu einem produktiven Moment, das den Willen zur weiteren Auseinandersetzung und Kontextualisierung mit den einzelnen Arbeiten der Künstlerin und den Thematiken der Ausstellung im Generellen auslösen kann. Dazu bietet die Kunsthalle in den Ausstellungsräumen einen publizierten Katalog oder ein Booklet an, das voll mit Analysen und Werkbetrachtungen ist, welches ich nur empfehlen kann. 

Michelle Seidl

Die Arbeiten von Ines Doujak in der Kunsthalle ergeben einen vielschichtigen Mix von Materialien und Formen, die das Bild einer Welt zeichnen, die grotesk wirkt, unheilvoll, unheimlich. Die formalen, historischen und zeitgenössischen Querverweise - botanische Bilder, Material aus alten medizinischen Abhandlungen, Verpackungen - brechen die dystopische Stimmung, die die Arbeiten in ihrer Gesamtheit evozieren, auf. Es wird deutlich, dass die Ausstellung nicht etwa einen Entwurf eines postapokalyptischen Zustands darstellt, sondern einen Verweis auf den Ist-Zustand der Gegenwart. Die Collagen und anthropomorphen Skulpturen veranschaulichen die Krisen, die unsere Gegenwart charakterisieren, und verweisen damit auf die Probleme, die uns nicht nur kollektiv wie Gespenster verfolgen, sondern uns auch Tag für Tag mehr oder weniger subtil begleiten. Die Verflechtungen von strukturellen Problemen, wie die Pandemie, die Klimakrise, der konsumgeschwängerte westliche Spätkapitalismus oder die Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden lassen sich nicht von ihrer von Kolonialismus und Industrialisierung geprägten Vergangenheit lösen: Einer Vergangenheit, die - nach Derrida [1] - die westliche Gesellschaft auch jenseits ihrer vermeintlichen Gräber verfolgt. Doujaks dystopische Formensprache verortet diese Krisen in einer gespenstischen Zeitlosigkeit, womit die Ausstellung die den Westen konstituierenden Werte und damit vor allem den Geist des Kapitalismus beschwört, dessen unaufhaltsames Akkumulationsstreben sich bis in die Gegenwart zieht, Zukunftsszenarien durchdringt und eine furchterregende Ansammlung von Aus- und Nachwirkungen mit sich zieht. Doujaks Ausstellung funktioniert, es zieht sich alles zusammen - bis ich die Kunsthalle verlassen muss. Und einmal tief durchatmen.

[1] Jacques Derrida, Specters of Marx: The State of the Debt, The Work of Mourning & the New International, London 2006.

Adrian Praschl-Bichler

Hybride Gestalten aus menschlichem, tierischem und pflanzlichem Material bevölkern das Ausstellungsuniversum von Ines Doujak in der Kunsthalle. Ein Teil der Werke dieser Art faszinieren mich und lösen ein Feuerwerk an Assoziationen in meinem Gehirn aus. Ich denke an medizinische Ausstellungsobjekte aus dem Narrenturm, Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel den Älteren, aber auch an florale T-Shirt-Prints. Bei den weiteren hybriden Figuren und Bildern der Ausstellung wird mit anderen Bildsymboliken gearbeitet. Organe, Ausschläge, Beulen oder unförmige Gliedmaßen rufen dabei Ekel in mir hervor und die entgrenzte, den Menschen umschlingende und einnehmende Natur der Gebilde beunruhigen mich leicht. Der in der politischen Psychologie postulierte Zusammenhang zwischen einer stärker ausgeprägten Ekelsensitivität und der Präferenz für Ordnung scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Ines Doujak verhilft der Natur dazu, ihre Unordnung zurückzubringen. Es ist ein unterschiedlich stark ausgeprägtes, aber dennoch grundlegendes Bedürfnis von Menschen, Ordnung zu schaffen und Komplexität in der Umwelt zu verringern. Alles, was nicht in den ordentlichen Rahmen passt und/oder eklig ist, wird vernichtet oder in den  Rahmen eingepasst. Die Natur ist oft komplex, einnehmend, eklig oder unberechenbar, deshalb wird sie nutz- und berechenbar gemacht, sie wird erobert. Die selbstvergessene Annahme der Menschheit selbst, nicht Teil dieser Natur zu sein, kann man als einen Ausgangspunkt der Ausstellung Geistervölker nutzen. Ein anderer wäre die ungerechte Ordnung, die sich ein Teil der Menschen selbst geschaffen hat und Menschengruppen ausschließt. 

Mit einer Portion Ironie schafft es Doujak, globale Krisen so zu adressieren, dass die Beschäftigung mit diesen nicht zur Überforderung führen. Ein Gebäude aus Verpackungen, letztlich Wegwerfprodukten, ist das physische, aber gleichzeitig auch gesellschaftliche Substrat des an der Spitze thronenden Astronauten. Dieser kann als Sinnbild für den erobernden oder ordnenden Menschen, die Krone der Schöpfung, stehen. Der Titel Monumentale Instabilität verweist auf die instabile Konstruktion dieses Gebäudes, in das bereits ein Flieger hineingeflogen ist.

Eine weibliche Figur scheint sich ihrer Verbundenheit mit der Natur bewusst geworden zu sein, sie streckt uns stolz ihren wurmbevölkerten Anus entgegen. 

Gleichzeitig verbindet Doujak die Besucher*innen, die auf den Bänken Platz nehmen, unfreiwillig mit der Natur und macht sie zu langsam verreckenden Fliegen auf einem Fliegenband.

[1] Xiaowen Xu, Annika K. Karinen, Hanah A. Chapman, Jordan B. Peterson & Jason E. Plaks (2020). An orderly personality partially explains the link between trait disgust and political conservatism, Cognition and Emotion, 34:2, 302-315, DOI: 10.1080/02699931.2019.1627292

  

 

Katharina Hoffmann

Wer die reale Welt sieht, weiß auch, dass Geister existieren.

 

Unheimlich und erschreckend konfrontiert fühle ich mich beim Betreten der Kunsthalle. Krisen, Krankheiten, Kolonialismus und Kapitalismus erhalten durch Ines Doujak ein Gesicht und reißen Wunden in meinem kulturellen Gedächtnis auf. Sowohl meine Sorgen rund um die Zukunft als auch meine verdrängten Erlebnisse aus der Vergangenheit begleiten mich durch die Ausstellung. Mit meiner FFP2-Maske auf starre ich auf die Fledermaus, die allem Anschein nach der Auslöser für die COVID-19-Pandemie sein soll und ich fühle mich ihr gleich. Die Übertragung des Virus ist menschengemacht, denn während die Fledermaus von Ort zu Ort fliegt, um nach Nahrung und Unterschlupf zu suchen, verbreitet sich das Virus von Tier auf Mensch. Und wir Menschen verbreiten es durch das Fliegen um den Globus, nur um ein Häkchen auf unsere To-do-Liste zu setzen und diese Orte auf Social-Media-Plattformen zu posten. Der durch die Flugemissionen entstandene Co2-Fußabdruck wird wie Spuren im Sand weggespült und vergessen.

Nach diesen Überlegungen beruhigt sich mein Gemüt, denn die Geister suchen mich nur dann heim, wenn ich meinem Umfeld gegenüber erblinde. Von der Erkenntnis folgt die Einsicht über das doch erkennbare parasitäre Verhalten innerhalb der Gesellschaft. Auf Kosten Anderer werden wir zu einer Versklavung von unerreichbaren Idealen durch den Kapitalismus verführt und die fehlende Akzeptanz der tatsächlichen Realität vom einfachen sozialen Menschsein macht sich langsam in mir spürbar. Warum will ich trotz dieser Erkenntnis in kein abgebildetes Gesicht blicken und was sagt dieses Verhalten über mich aus?   

 

Ich habe meine Scheuklappen gegenüber der Realität wieder erkannt. Die Risse in meinen Wunden werden größer und nun schwirren auch Doujaks Geister in meinem Kopf. Wie lange sie mich wohl heimsuchen werden, ist eine Frage, die mich nachts nur schwer loslässt.

Teresa Kranawetter

Ein zentrales Element in Doujaks künstlerischer Arbeit ist die Konstruktion von Figuren, die durch die Zusammensetzung mehrerer Körperfragmente von Menschen sowie Tieren entstehen und durch ihre Hybridität monströs wirken. Im Vordergrund der künstlerischen Gestaltung steht dabei der kranke Körper, der durch die Verformung, Verfärbung und Verunstaltung der Haut der Figuren Assoziationen mit der Übertragung von Krankheiten, viralem oder bakteriellem Befall auslöst. Die Figuren werden mit einem von Krankheiten sichtbar überzogenem "Hautkleid" überstülpt, das auf das verweist, was noch viel beängstigender erscheint als das nur sichtbar kranke Außen: Die unsichtbaren Überträger innerhalb des Organismus der Skulptur, die den Ursprung für die Abszesse und Wucherungen darstellen. Milben, Pilze, Bakterien und Viren, gelangen durch tierische Überträger in den menschlichen Mechanismus und rufen symptomatischen Reaktionen am Körper hervor. Die Künstlerin spricht die Übertragungsmechanismen vergangener und zukünftiger Pandemien an, die auf dem Fundament der ökologischen Ausbeutung basieren und die Folge der hierarchischen Positionierung des Menschen über seine Umwelt sind. Nach dem Besuch der Ausstellung merke ich, wie meine Gedanken vor allem um diese figurativen Arbeiten der Künstlerin kreisen und wie diese in meinem visuellen Gedächtnis hängen bleiben. Ines Doujak fordert Besuchende durch eine vielschichtige, humoristische, überspitzte, aber wissenschaftlich durchdachte Darstellung heraus, eine neue Perspektive einzunehmen. Während des Durchgangs durch die Kunsthalle wird man mit einer Vielschichtigkeit, die zum einen auf der inhaltlichen Ebene und zum anderen auf der technisch-medialen Ebene passiert, konfrontiert. Die Figuren befallen die Räumlichkeiten der Kunsthalle und jede einzelne verlangt nach einer genaueren Auseinandersetzung. Eine Vielzahl von Assoziationen wird während des Betrachtens hervorgerufen. Ich denke an dystopische Figuren von Hieronymus Bosch, Arcimboldos Collagen, Biologielehrbücher und Krankheitsbilder, Dr. Frankensteins zusammengesetztes Monster, die aktuelle Covid-19-Situation und die Angst vor weiteren Pandemien. Dabei kommt ein Gefühl der Überforderung hoch und meine Neugier auf tiefergehende Kontextualisierung wird überstrapaziert, da innerhalb der Ausstellung wenig Fokus auf eine didaktische Vermittlung gelegt wird und deshalb informierende Wandtexte fast gänzlich ausbleiben. Zeitgleich fordert die Künstlerin durch ihre textbasierten Arbeiten sowie ihre Podcasts dazu auf, sich zu informieren, zuzuhören und zu lesen. Diese Überforderung gestaltet sich aber nach dem Ausstellungsbesuch zu einem produktiven Moment, das den Willen zur weiteren Auseinandersetzung und Kontextualisierung mit den einzelnen Arbeiten der Künstlerin und den Thematiken der Ausstellung im Generellen auslösen kann. Dazu bietet die Kunsthalle in den Ausstellungsräumen einen publizierten Katalog oder ein Booklet an, das voll mit Analysen und Werkbetrachtungen ist, welches ich nur empfehlen kann. 

Michelle Seidl

Die Arbeiten von Ines Doujak in der Kunsthalle ergeben einen vielschichtigen Mix von Materialien und Formen, die das Bild einer Welt zeichnen, die grotesk wirkt, unheilvoll, unheimlich. Die formalen, historischen und zeitgenössischen Querverweise - botanische Bilder, Material aus alten medizinischen Abhandlungen, Verpackungen - brechen die dystopische Stimmung, die die Arbeiten in ihrer Gesamtheit evozieren, auf. Es wird deutlich, dass die Ausstellung nicht etwa einen Entwurf eines postapokalyptischen Zustands darstellt, sondern einen Verweis auf den Ist-Zustand der Gegenwart. Die Collagen und anthropomorphen Skulpturen veranschaulichen die Krisen, die unsere Gegenwart charakterisieren, und verweisen damit auf die Probleme, die uns nicht nur kollektiv wie Gespenster verfolgen, sondern uns auch Tag für Tag mehr oder weniger subtil begleiten. Die Verflechtungen von strukturellen Problemen, wie die Pandemie, die Klimakrise, der konsumgeschwängerte westliche Spätkapitalismus oder die Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden lassen sich nicht von ihrer von Kolonialismus und Industrialisierung geprägten Vergangenheit lösen: Einer Vergangenheit, die - nach Derrida [1] - die westliche Gesellschaft auch jenseits ihrer vermeintlichen Gräber verfolgt. Doujaks dystopische Formensprache verortet diese Krisen in einer gespenstischen Zeitlosigkeit, womit die Ausstellung die den Westen konstituierenden Werte und damit vor allem den Geist des Kapitalismus beschwört, dessen unaufhaltsames Akkumulationsstreben sich bis in die Gegenwart zieht, Zukunftsszenarien durchdringt und eine furchterregende Ansammlung von Aus- und Nachwirkungen mit sich zieht. Doujaks Ausstellung funktioniert, es zieht sich alles zusammen - bis ich die Kunsthalle verlassen muss. Und einmal tief durchatmen.

[1] Jacques Derrida, Specters of Marx: The State of the Debt, The Work of Mourning & the New International, London 2006.

Adrian Praschl-Bichler

Hybride Gestalten aus menschlichem, tierischem und pflanzlichem Material bevölkern das Ausstellungsuniversum von Ines Doujak in der Kunsthalle. Ein Teil der Werke dieser Art faszinieren mich und lösen ein Feuerwerk an Assoziationen in meinem Gehirn aus. Ich denke an medizinische Ausstellungsobjekte aus dem Narrenturm, Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel den Älteren, aber auch an florale T-Shirt-Prints. Bei den weiteren hybriden Figuren und Bildern der Ausstellung wird mit anderen Bildsymboliken gearbeitet. Organe, Ausschläge, Beulen oder unförmige Gliedmaßen rufen dabei Ekel in mir hervor und die entgrenzte, den Menschen umschlingende und einnehmende Natur der Gebilde beunruhigen mich leicht. Der in der politischen Psychologie postulierte Zusammenhang zwischen einer stärker ausgeprägten Ekelsensitivität und der Präferenz für Ordnung scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein. Ines Doujak verhilft der Natur dazu, ihre Unordnung zurückzubringen. Es ist ein unterschiedlich stark ausgeprägtes, aber dennoch grundlegendes Bedürfnis von Menschen, Ordnung zu schaffen und Komplexität in der Umwelt zu verringern. Alles, was nicht in den ordentlichen Rahmen passt und/oder eklig ist, wird vernichtet oder in den  Rahmen eingepasst. Die Natur ist oft komplex, einnehmend, eklig oder unberechenbar, deshalb wird sie nutz- und berechenbar gemacht, sie wird erobert. Die selbstvergessene Annahme der Menschheit selbst, nicht Teil dieser Natur zu sein, kann man als einen Ausgangspunkt der Ausstellung Geistervölker nutzen. Ein anderer wäre die ungerechte Ordnung, die sich ein Teil der Menschen selbst geschaffen hat und Menschengruppen ausschließt. 

Mit einer Portion Ironie schafft es Doujak, globale Krisen so zu adressieren, dass die Beschäftigung mit diesen nicht zur Überforderung führen. Ein Gebäude aus Verpackungen, letztlich Wegwerfprodukten, ist das physische, aber gleichzeitig auch gesellschaftliche Substrat des an der Spitze thronenden Astronauten. Dieser kann als Sinnbild für den erobernden oder ordnenden Menschen, die Krone der Schöpfung, stehen. Der Titel Monumentale Instabilität verweist auf die instabile Konstruktion dieses Gebäudes, in das bereits ein Flieger hineingeflogen ist.

Eine weibliche Figur scheint sich ihrer Verbundenheit mit der Natur bewusst geworden zu sein, sie streckt uns stolz ihren wurmbevölkerten Anus entgegen. 

Gleichzeitig verbindet Doujak die Besucher*innen, die auf den Bänken Platz nehmen, unfreiwillig mit der Natur und macht sie zu langsam verreckenden Fliegen auf einem Fliegenband.

[1] Xiaowen Xu, Annika K. Karinen, Hanah A. Chapman, Jordan B. Peterson & Jason E. Plaks (2020). An orderly personality partially explains the link between trait disgust and political conservatism, Cognition and Emotion, 34:2, 302-315, DOI: 10.1080/02699931.2019.1627292

  

 

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